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LITERATUR AKTION WEDDING


Kurze Beschreibung meiner neuen Literaturreihe im Wedding mit Nadire Biskin, Behzad Karim Khani, Musa Okwonga und Emine Sevgi Özdamar. mehr dazu auf der Website und anderen Medien

LITERATUR AKTION WEDDING / LEKTÜREN IM KONTEXT

Die Literatur bedarf der Förderung und der Vermittlung. Das gilt insbesondere im Bereich der internationalen Literatur, der übersetzten Literatur und der minoritären Literaturen. Ich arbeite seit etwa 20 Jahren als Literaturkritiker für die deutschsprachigen Sender und Printmedien in diesem Spektrum, als literarischer Übersetzer bin ich für den dänischen Kunstfond /Statens Kunstfond und als Kurator für das interdisziplinäre Climate Cultures Festival Berlin tätig, das immer einen gewissen Anteil internationaler Literatur präsentiert. Ich habe mich also immer bemüht, das deutschsprachige Lesepublikum mit der Literatur anderer Länder und Kulturen vertraut zu machen. Dazu gehört auch die Vermittlung von Sachwissen jenseits der belletristischen Werke, was besonders gut gelingen kann, wenn z.B. im Zuge der Gastlandauftritte auf der Frankfurter Buchmesse auch zahlreiche Sachbücher der jeweiligen Länder übersetzt werden. Denn dann werden Kultur, Politik und Geschichte aus einer anderen als der uns vertrauten eigenkulturellen Experten-Perspektive vermittelt - wir genießen auf dem Markt der übersetzten Literatur eine exklusive Kultur der Lektüren im Kontext.

LEKTÜREN IM KONTEXT
Insofern hat mir das Gebiet Übersetzte Literaturen (nicht gleichzusetzen mit Übersetzungskritik) in den letzten Jahren gezeigt, dass der Genuss guter Literatur sehr vorteilhaft zu verbinden ist mit Kontextlektüren. Das lässt sich auch mit Bezug auf Themen der Literatur durchführen: Statt fünf dystopische Romane über den Klimawandel zu lesen, mit dem entsprechenden Frustrationsdilemma, lassen sich auch beispielsweise ein Roman, ein Langgedicht, eine Autobiographie, ein Comic und ein Klima-Sachbuch zu einem kleinen Bildungs-Lektürepäckchen kombinieren, das vielleicht eher geeignet ist, aus der Leseerfahrung eine Krisenstrategie zu generieren. Besonders gut eignet sich das Prinzip auch für den kulturellen Brückenbau in Lesegesellschaften mit Migrationshintergrund.

LITERATUR AKTION WEDDING
Ich wohne selbst im Wedding und wünsche mir etwas mehr literarisches Leben in der Umgebung. Ich habe schon einige kleinere Lesungen initiiert, aber jetzt bietet sich mit dem Theater Ballhaus Prinzenallee eine einmalige Chance, meine Idee einer etwas anderen Literaturvermittlung an einem tragenden Ort umzusetzen. Das Ballhaus Prinzenallee passt auf mehrere Weisen: 1. Der Trägerverein Interkulturell-Aktiv e.V. baut das Haus gerade aus und um und will jenseits der bisherigen rein türkischen Programme (Theater 28) im Kiez wirksam werden. 2. Der Programmleiter Oliver Toktasch will das Ballhaus Prinzenallee unter anderem auch mit Literatur bespielen. 3. Die im Wedding (und in ganz Berlin) lebenden und schreibenden Autor:innen können mit ihren Werken in einem anregenden theatralisch-literarischen Kontext vorgestellt werden.

AUFTAKT IM MÄRZ: NADIRE BISKIN
Die im Wedding aufgewachsene Romanautorin Nadire Biskin hat 2022 bei dtv einen Roman publiziert, in dem ihre Lebenserfahrungen als türkische Berlinerin eine große Rolle spielen. Sie hat ganz in der Nähe des Ballhaus Prinzenallee gelebt und wird als Live-Gast des Abends sicherlich Besucher aus dem Kiez anziehen. Aber wir wollen ihnen nicht nur einen Literaturabend im Zeichen von Identifikation und Identität anbieten, sondern das Werk der jüngeren Autorin in einem Kontext anderer Bücher kontextualisieren. In Teil 1 des Abends sind also Yahya Hassan (Kopenhagen), Fatma Aydemir (Berlin) und Athena Farrokzhad (Stockholm) zu hören (szenisch gelesen von Schauspieler:innen, dramaturgisch eingerichtet von Oliver Toktasch, eingeordnet und kommentiert von Martin Zähringer). In Teil 2 des Abends liest Nadire Biskin selbst und im Gespräch mit dem Kritiker und dem Publikum lassen sich dann Themen aus Teil 1 und Teil 2 im Kontext diskutieren.

LESUNG ALS SCHAUSPIEL
Die Abende sollen nicht anstrengen und überfordern, aber eine gewisse „Masse“ an Text wird notwendig sein, um die Idee wirksam und spannend zu machen. Der Raum ist klar konturiert und allseits gut bespielbar. Oliver Toktasch wird mit relativ einfachen dramaturgischen Mitteln eine praktisch-ästhetische Beziehung zwischen Literatur und Theater herstellen. So können die lesenden Schauspieler:innen besonders positioniert und beleuchtet werden, die Bühnengestaltung lässt sich variieren, der (sparsame) Einsatz von Video, Film und Tanz ist möglich.

Ich habe das gute Gefühl, dass wir hier eine ganz besondere Stimmung erzielen können, in der das Wesentliche von #LITERATUR und das Wirksame der Dramaturgie tatsächlich zu #AKTION werden. Und da wir im #WEDDING sind, lässt sich diese kreative Grundstimmung an ein Publikum vermitteln, das in dieser Hinsicht nicht unbedingt verwöhnt, aber erwartungsvoll und neugierig ist.

Interkulturell-Aktiv e.V. ist interessiert an einer weiteren Öffnung hin zu einem gemischten Publikum, das Theater und Show auch gut mit Literatur und Genremix zu verbinden weiß.
Ich selbst – als Kurator der Reihe - sehe im Wedding mit dem Prinzip der Lektüren im Kontext eine gute Chance, die vielfachen Hemmschwellen zur Literatur abzubauen, zumal sich die kieztypische Mischung auch mehr und mehr durch jüngere Bewohner mit Kulturinteressen anreichert. „Der Wedding kommt“, ein Spruch der oft belächelt wird und so kommentiert: „Der Wedding kommt schon lang“. Aber es kommt darauf an, wer was wie macht. Auch in direkter Nachbarschaft - im Ballhaus Wedding, kommt seit 2021 mit den Kiezpoeten die Literatur ins Spiel, ebenfalls die Reihe „nochnichtmehrdazwischen“ lässt hoffen.

PROGRAMMINHALTE
4 Veranstaltungen ab März 2023 meist am letzten Sonntag des Monats von 17 Uhr – 19 Uhr. Sprache: Deutsch, die besprochenen und zitierten Werke in Teil 1 können zusätzlich in Originalsprache rezitiert werden. Das Programm ist ausgerichtet auf Literatur mit gesellschaftlichem Anliegen. Ein besonderes Gewicht liegt auf der Erfahrung des Minoritär-Seins, der sozialen Exklusion und der kreativen Strategien zur Selbstermächtigung.
Die Lektüren im Kontext werde ich gemeinsam mit den jeweils eingeladenen Autor:innen entwickeln. Es wird um für sie selbst wichtige Belletristik gehen, aber auch um politische Literatur und andere Künste.
Wenn die Schreibenden selbst gar nicht mehr der Sprache ihrer Eltern mächtig sind, durchkreuzen tragische Momente der Entfremdung ihre eigene Autorschaft. Oder ist das gar nicht so tragisch? Vielleicht sogar komisch und witzig? Das wird in den Diskussionen zu ermitteln sein.

https://literaturaktionwedding.de/