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Ein Preis, zwei Schriftsteller und der Müll


Im wärmsten Jahr aller gemessenen Zeiten 2023 erhielt der Science Fiction Autor Kim Stanley Robinson aus Kalifornien einen Umweltpreis aus Sachsen. Namensgeber ist der barocke Forstmeister Hans Carl von Carlowitz. Das mögen fremde Welten sein, aber im Sinne einer Ökologie des Geistes passen sie gut zusammen.

Kim Stanley Robinson oder KSR ist der erste Science Fiction Autor in meiner reiferen Lesegeschichte als Literaturkritiker. Ich bin durch meine Arbeit mit der Climate Fiction an ihn geraten, als wir in Berlin unser Climate Fiction Festival planten, gleichzeitig einige Artikel und abendfüllende Radioarbeiten . Im Nachinein kann ich sagen, das Interesse an dem damals fremden Modell Climate Fiction war da, meist kannten unsere Redakteurinnen die erzähelnde Literatur zu Klimawandel und Krise als Thriller, Phantasy oder Science Fiction.
Immerhin kamen wir so an Auträge und konnten sogar nach Kalifornien reisen, wo KSR in Davis lebt und uns sehr freundlich empfangen hat.

Ein Supraorganismus wäre gut für das Land, das kann ich unterschreiben. Im Roman "Das Ministerium für die Zukunft" steht das Idyll am Ende einer ziemlich komplizierten Geschichte, die mit einer Hitzkatastrophe in Indien beginnt und mit diesen Worten: ES WURDE HEISSER. Es wurde auch politisch heiss, denn die wesentlichen Schritte in eine nachhaltige Zukunft - oder wie der Arbeitstitel des Buches hieß, in ein positives Anthropozän, waren nicht ohne Gewalt und Terror zu haben. KSR sitzt meist friedlich in seinem Garten in Davis und ist Realist, seine politisch ökonomischen Grundlagen sind seit seiner Dissertation über Philipp K. Dick bekannt, Doktorvater war Frederik Jameson, und der steckt auch tief in meiner DNA.

Da ich im Scharzwald aufgewachsen bin und mein Vater uns als städtischer Waldarbeiter durchgebracht hat, ist mir der Carlowitz nah. Mein Vater hatte seine Probleme mit den Förstern, sie waren Chef im Wald, und er war Sozialdemokrat und Gewerkschafter. Da gab es immer Krach. Wurzeln hier die heimlichen Beziehungen von Ökonomie (politische Ökonomie bei KSR) und Ökologie (politische Ökologie, nach Carolwitz), denen ich derzeit auf der Spur bin? Subjektiv schon, warum auch nicht...

Ein Text für Liebhaber, ihr müsst euch da nicht durchquälen. Literarisch ist das spannend, denn hier schreibt ein Sachse vor der preussischen Durchmusterung unserer Sprachkreativität. Interessant ist vor allem die Utopie. Mit KSR und seinem Zukunftstraum vom Supraorganismus teilt Carlowitz die Idee vom Irrdischen Paradies, das durch menschliche Aktivität zu ereichen wäre, bei ihm durch nachhaltige Waldökologie.

Die Ökologie des Waldes ist auch die Ökologie der Sprache. Ich könnte das essayistische Spiel noch viel weiter treiben mit den Bäumen von Carlowitz und seiner Sprache, Sprachbäume, Grammatik des Waldes, Ökologie des Geistes, Wahlverwandtschaften von Science Fiction im 21. Jahrhundert und Ökopraxis im 17. Nach ein paar Seiten gewöhnt man sich an den Stil von Carlowitz:

Man soll doch nicht! Die malignität...

Es ist und bleibt mir ein großes Rätsel. Traum, Essay und Wirklichkeit im Wedding.

WO LEBEN WIR?

https://www.nzz.ch/feuilleton/irgendwann-schlaegt-die-natur-zurueck-ld.1355040
https://www.climate-fiction-festival.de/
https://carlowitz-gesellschaft.de/nachhaltigkeitspreis/nachhaltigspreis-2023/


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MOORE and more


Annie Proulx schreibt aus dem Moorland und das Moor spricht zurück!

So kann es gehen mit dem Schreiben zumal das Moorland aus Büchern besteht, die Annie Proulx sich in ihrer Bibliothek einverleibt oder bei Bibliotheken oder Sammlern bestellt, alle Bücher über das Moor, Feuchtgebiete, historisch, gegenwärtig, englisch, französich, deutsch und vor allem auch Dänisch. Die Moorleichen aus Dänemark zählen zu den aufregendsten Teilen dieses Werkes (da fand ich sie.-)), auch hier hat die Autorin schriftliche Quellen und spricht mit ihnen. Ja, sie zitiert, zitiert aber nicht immer mit Anführungsstrichen, sie erzählt Geschichten aus den Büchern weiter, verbindet sie mit anderen Geschichten und auch hin und wieder mit Spaziergängen in ein Moor, aber das nur am Rand. Das ist ein sehr ökonimsches Verfahren des Nature Writing, aber es braucht Reife und Talent, bei einer Lady über 80 mit einer exklusiven Bibliothek und viel Erfahrung ist das kein Problem und führt einmal mehr zu einem kleinen Literaturwunder.

Ich nehm es vorweg, nach diesem abenteuerlichen Lektürerausch in den Mooren und Feuchtgebieten dieser Erde mit ihrer fantastischen Vergangenheit und einer uferlosen Naturgeschichtenerzählung erwacht man nüchtern: Die Nebel der Moore legen sich, das Klarbild der Situation wird sichtbar: Der Mensch ist gerade dabei, die wichtigsten Kohlenstoffsenken seiner Landschaften zu vernichten. Annie Proulx weiß es genau, und es scheint ihr im Angesicht der eigenen Gattung so peinlich zu sein, dass sie nicht einmal mehr wettert gegen die Vernichtung. Aber auch lakonisch beiläufige Einschübe (wie der im Zitat oben) entwickeln eine ungeheure Wucht.

Die Frau ist mit dem Schachtelhalm im Bund, und der Schachtelhalm schreibt zurück!

Ich bin schon lange ein Freund von Annie Proulx. Den Film über das schwule Cowboy-Paar dürftet ihr kennen, hoffentlich auch ihr Buch. Oder diesen Proulx, ein 300-Jahresepos über die Vernichtung der amerikanischen Urwälder. Ich besprach als Buch der Woche bei DLF:

https://www.deutschlandfunk.de/annie-proulx-aus-hartem-holz-vom-sisyphos-zum-waldherrn-100.html#:~:text=In%20„Brokeback%20Mountain“%20ließ%20Annie,Hoheit%20über%20den%20Wald%20abringen.

Nach dem Rausch der feuchten Naturwunder gibt es ein Erwachen in dr Versiegelung. Beton, Straßenbeläge, flache Landschaften überbaut, aber ich wollte es ja so. Immerhin so eine gewisse Ahnung ist verblieben in Berlin-Wedding:

Es sickert und blubbert noch was im Überlaufbecken für die kanalisierte Panke, in der heute ein optimistischer Reiher zu sehen war. Ich sah noch nie 1 einzigen Fisch darin und in der Fläche eher Krähen:

Aber nach einer intensiven Proulx-Leküre kann man sich schon vorstellen, dass das auch hier einmal ein Moor gewesen sein könnte, wo jetzt die Schrebergärten stehen und die Mietshäuser des Vaterländischen Bauvereins, wo sich heute moderne Fauna vergnügt:

Es ist nicht ganz ohne Witz, wie Hund und Krähe sich hier ökologisch vernetzen. Der Hund und die Krähe oder der Rabe liefern sich bekanntermaßen in vielen indigenen Mythen und Geschichten ein ewiges Gefecht und sind gar keine Freunde. In Post-Moor-Zeiten sieht das anders aus:

Er hier schnappt sich gleich ein schwarzes Plastiktütchen, darauf hat er sich spezialisiert, das hat Herrchen von Hundchen ins Moor geworfen. Was ist nur aus den Krähen geworden? Good Night!



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KRITIK der KRITIK


Mein Leben ist Kritik! Das Leben der Anderen ist auch Kritik. Jedenfalls das der anderen vom Stern der Kritik. Und wen kritisieren wir als nächstes ? Wer hat die meiste Kritik verdient?

Mit den Mitteln der Kunst natürlich. Und mit dem Film. In Berlin gibt es seit 10 Jahren die Woche der Kritik, leider hab ich sie noch nie erlebt, wahrscheinlich weil es um Filme geht, aber das ist natürlich ein Fehler. Kritik ist Kritik!

Am 14. Februar war die Eröffnungskonferenz, und gestern war das Highlight mit einem Abend im Hackesche Höfe Kino. Dort kuratierte der Kalifornier T.J. Demos ein Programm mit Filmen zum Thema The Ecology of Science Fiction, Literally no Place, davon hier ein Bild

Deweiteren kam am Freitag im Programm von T.J.Demos, den die Filmis sicher gut kennen, Serpent Rain, Message of the Forrest und Crossings. Hört sich gut an, war aber leider ausverkauft. Vielleicht kenne ich die Woche der Kritik deshalb nicht so gut - wenn mal was Cooles läuft, ist es nur für Insider. Elitenpack, die Kritiker.

Für mich blieb die Konferenz in der Akademie der Künste.

Vier Frauen und ein Moderator, die Frauen waren 3 Producerinnen von Arthouse Filmen und 1 Klimajournalistin, und aus dem Grund war ich eigentlich auch da - der Abend hieß: Filmemachen um jeden Preis? - Kino, Kritik, Klimakrise. Ich fasse mich kurz: Es ging um das, was in der Hauptstadt so als Green Culture diskutiert wird, betriebsökologische Nachhhaltigkeit allüberall. Nun ja, das ist nichts Neues!

Ich habe derweil getestet, welche Bilder das Iphone in diesem Raum wohl machen könnte. Immerhin ist da unten hinter der Fensterfassade der Pariser Platz, viel los da immer. Und wir haben das unübertreffliche historische Motiv.

Interessant wurde das Podium eigentlich erst, als T. J. Demos sich mal kurz dazusetzte und freundlich bekannt gab, dass sie ja da in Santa Cruz eher einen politischen Zugang zu dem Thema haben. Beifall im Saal! Man könne nur noch eines tun mit dem Film, die kritischen Massen mobilisieren. Noch mehr Beifall!
Klar, aber dann war es schon wieder vorbei. Ein paar nette Bilder brachte er als Trailer mit, den Rest am Freitag, aber wie gesagt - ausverkauft. Zur Rache bin ich prokreaktiv geworden:

Interessant wurde es eigentlich erst beim Publikumsgespräch. Das hatten wir kürzlich schon mal erlebt bei so einer Green Culture Show. Die wirkliche Kritik kommt aus dem Publikum, zentral die Aussage, das sei hier total falsch besetzt, die Producerinnen sollten ihre Filme machen und die Debatte den Künstler:innen überlassen. Angesichts dessen, was sie zum Besten gaben, ist das so korrekt. Das Thema ist zu heiß, da müssen schon Kaliber ran, oder Kaliber:innen, bitte schön.

Übrigens, #T.J.Demos ist so eins! Er schreibt auch gute Bücher.


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There is an ongoing spam attack on the fediverse for the last couple of days. It's more widespread than before, as attackers are targeting smaller servers to create accounts. Before, usually only mastodon.social was targeted and our team could take care of it. For server administrators out there: If you don't need open registrations, switch over to approval mode. If you do, blocking disposable e-mail providers is a massive stopgap to the problem. Mastodon also supports hCaptcha.
in reply to Eugen Rochko

well that sucks because I use Protonmail and DDG's email masker because fuck google. I hope this doesn't mean that only massive, centralized corporate mail servers are acceptable
in reply to Condalmo.

@condalmo Hi! Can you give us some more details? Have you experienced issues with Proton Mail being blocked while trying to use your email to register to some website or similar?
in reply to Proton Mail

@protonmail No, not recently at least. I just wanted to mention it so that admins trying to corral the spam flood don't block Proton addresses
in reply to Eugen Rochko

A lot of furry servers have been set to approval required for a while. The verification field asks "What is your fursona and why is this a good home for them?" to weed out both spam and uninteresting trolls.

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Some views are out of this world 🌍

We work closely with the European Space Agency on the #EUSpace Programme, which comprises services such as Galileo, IRIS² and Copernicus.

🛰️Satellite data helps to mitigate the effects of climate change and ensures safety and civil security across Europe.

More → https://europa.eu/!G3MTV6

📷© 1- Contains modified Copernicus Sentinel data (2019–20), processed by ESA and cloud layer from NASA
2-4- ESA – M. Wandt - #Muninn mission to the ISS

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FDP – Goldsand im Getriebe

#ND #FDP #Industrie #Lobbyismus #Sabotage



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Antifaschistisches Berlin


Warum viele Worte machen? Hier ein paar Fotos von einer wichtigen Demo:

NIE WIEDER FASCHISMUS BEKÄMPFT DIE BRAUNE PEST!

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in reply to Paul Fairie

The more things change, the more things stay the same!


TERROR BILDER KRIEG


Umweg Internet. Menschen im Krieg. Eine andere Zone. Ich bin ohne Absicht hineingeraten.
Hier herrschen die Schrecken des Krieges, der Horror der Gewalt, ich aber stehe nicht im Bombenhagel, mein Körper ist nicht im Visier der Terroristen.

Ich bin in Sicherheit. Ich bin vielleicht in Sicherheit. Wer weiß das so genau?

Frei bin ich ganz sicher nicht, denn ich bin gefangen im Bann der Bilder.
Es sind die Videos aus Israel und Gaza. Sie tragen Terror und Krieg live in den Cyberspace, ich sitze vor dem Bildschirm, täglich eine Stunde oder mehr, und werde beschossen im Sekundentakt.

Ich konsumiere die digitale Pornographie des Todes.

In dieser Todeszone, im Bilderhagel des digitalen Dauerfeuers, ist es dunkel.
Ich kann keinen Sinn erkennen.

Wo ist der Sinn dieses Krieges?

Wo ist der Sinn dieser Bilder? Sie bereiten keine Ästhetik des Mitleids vor.

Diese Bilderfluten des Horrors wirken nicht, nicht moralisch, sie entfesseln nur die Militanz der Parteinahme. Das ist ihr Zweck, als Waffen im Informationskrieg erzwingen sie eine Position.
Und doch, wie auch immer ich mich dazu stelle, sind sie unabweisbar Dokument und Zeugnis der Ereignisse. Ich kann sie nicht entbehren für mein Bild von der Welt.

Ich hasse den Krieg.
Aber der Krieg wird nicht enden, wenn ich die Augen schließe.
Und so werde ich ein Gefangener der Bilder.

Sie üben ihre Gewalt auf mich aus, sie zwingen mich zur Stellungnahme, einer wie auch immer geratenen Entscheidung, aber noch vor dem Reflex des Politischen erzeugen sie eine andere, eine unmittelbare Macht:

Die überlebenden Menschen, neben den Toten, haben oft ein Smartphone in der Hand. Frauen, Männer, Kinder und alte Menschen filmen die zerstörten Körper von Frauen, Männern, Kindern und alten Menschen.
Sie werden selbst dabei gefilmt.

Ist in diesem technischen Kaleidoskop etwas zu sehen?

Was sieht die millionenfache Smartphone-Kamera, was menschliche Augen unbewehrt nicht mehr erfassen können?

Das Unrecht, sie zeigen das Unrecht.

Wie hilflose Kinder ihren Eltern zeigen die Lebenden das Unrecht, aber wem?
Zeigen die noch nicht Zerstörten es ihrem unsichtbaren Gott?

Es gibt keinen Gott.

Am anderen Ende, am Display des Todes, bin nur Ich.

Allein mit den Bildern.





KlimaX auf twitterX


#writing climate 2023 September

STRAGEGIE FÜR GLOBALES INFORMATION NETZWERKEN

Auf dem twitterX-Kanal @writing_climate des Climate Cultures network berlin e.V. habe ich eine neuartige Strategie der Klimakommunikation erfunden, ein mapping of the disaster:

1. Öffne deinen account und ignoriere strikt deine timeline, mit der Alien Must und seine Werberaubritter:innen dich irritieren und irreführen wollen. Du willst kein Sklave der Algorithmen sein, du willst selbst bestimmen was wichtig ist.
2. Geh also stattdessen sofort auf die Suchleiste und suche nach "flood" oder "wildfire" oder "unwetter" "flut" etc. Es erscheinen zahlreiche Posts aus aller Welt, meist mit drastischen Fotos oder Videos der aktuellen Ereignisse. Darunter mischen sich wissenschaftliche Beiträge, Aktivistenposts und andere wahrheitsdienliche Informationen.
3. Jetzt benutze das zweite icon von links unter dem jeweiligen Post, (Foto/Video etc.) und drücke auf Quote, du kannst jetzt eine Botschaft mit diesem Post senden.
4. Schreibe #burningworlds #climateX #floodingworlds #ChangeTheSystem #JustStopOil und schicke das kommentarlos ab.
5. Es bildet sich ein Archiv dieser Posts mit deiner Absenderadresse. Wenn du jetzt im Suchfeld #climateX oder #floodingworlds aufrufst, werden all diese Posts erscheinen. Du erzeugst also eine historische Kartographie der Klimakatastrophe, so wie sie ist bzw von den Augenzeugen weltweit erlebt, gesehen und aufgezeichnet wird.
6. Fazit: No more lies about climateX.
7. Gleichzeitig werden die Erzeuger der Posts, die Zeugen und Zeuginnen der Katastrophen aufmerksam und liken deine Posts.
8. Ihr erzeugt eine globale Vernetzung, durch die auch andere direkt Betroffenen die globale Dimension der Ereignisse und der Berichterstattung in den Social Media erfahren. Das lokale Ereignis wird im globalen Zusammenhang sichtbar.
9. Behalte die Nerven, unterlasse persönliche Statements, die braucht niemand, denn du bist im Weltgeschehen.
10. Tagge stattdessen immer mal wieder zwischen #burningworlds und #floodingworlds etc solche Adressen @aramco @bmw @rwe @ @royaldutchshell @NoAfD und so fort, du kannst im Internet zahllose Listen von Ölkonzernen, Kohlekonzernen, Autokonzernen, Militärindustrie, Politik, Finanzen und Versicherungen, Investmentfonds etc finden. Sie alle wollen an die Konsequenzen ihres Tuns erinnert werden.


Das funktioniert ziemlich gut, ich habe schon viele Leute weltweit kennengelernt und auf meiner Followerliste. Noch besser ist in diesem Fall (ich poste ja selbst nicht mehr eigenen Content in diesem X-Geschäft), dass ich diesen Leuten selbst folgen kann in alle Kontinente bis ins kleinste Dorf und auf ihren Timelines eine jeweils lokale Beschreibung der Krisenlage erfahre, und aus diesen individuellen Perspektiven ergibt sich ein authentisches weltweites Netzwerk zu Informationen aus dem globalen Disaster. Das ist weitgehend lügenfrei, obwohl sich trollige Faker mancherlei Bild-Fälschungen einfallen lassen, aber mit einer gewissen Übung und Seherfahrung erkennt man das relativ schnell. Im Grunde erzeugen wir so eine Klima-Krisen-Wahrheitsmaschine, und Wahrheit ist in diesen Zeiten die stärkste Waffe gegen institutionelle Interessen und die Manipulationen der Macht. Im Sinne des Climate Cultures network berlin ist das eine zivilgesellschaftlich und krisenkritische Intervention, bottom up gegen die Lüge. Allerdings habe ich die Vermutung, dass Mr X meine Reichweite begrenzt, zumindest zeitlich. Also steigt ein, flutet das X, macht mit, informiert euch selbst und - CONNECTING CLIMATE CULTURES.



ClimateX 2023 September


@writing_climate Erst mal Urlaub / September 2023

MZ-BLOG

Regen bringt Segen. In der Lausitz Riesenpilzgewächse an einigen Bäumen.

Aber auch solche Strategien taugen:

Immer hübsch bescheiden und im Kollektiv nach oben streben.

Die ersten Tage im September sind die Tage nach der Sommerpause und die Berliner Festival- und Kulturszene brodelt. Auch die Welt brodelt, dazu später mehr unter #floodingworlds #climateX oder auch @IAAMünchen. In den ersten beiden Wochen des September ist bis zum Klimastreik am 15. einiges los. Im Kontext von Klima, Krise und Konzerne, Klimakultur und Katastrophe - bin ich in diesem Sommer und Herbst eingespannt in Programmarbeit (kreativ) und Antragschreiben (bürokratisch) für neue Klimaprojekte, angespannt wegen einem Wasserschaden in der Küche, den die degewo zu sanieren kaum befähigt ist - ein Abgrund an Bürokratie der jetzt eine kurze Abschweifung provoziert: Sechs Monate, nachdem ein Mitarbeiter eines Subunternehmens der degewo ein Wasserventil falsch eingeschraubt hat, sah das unter unserem Küchenboden so aus:

Jetzt sitzen wir jetzt hier mit einem neuen Linolboden, aber ohne Wasseranschluss und Spüle, denn die nasse Wand muss noch saniert werden. Ein Freund aus Dänemark, der selbst im Metier arbeitet, hat laut gelacht - "Das sind Amateure", aber in Dänemark haben die Mieter ja wirklich etwas zu lachen. Es gibt 500 000 gemeinnützige Wohnungen in der Hand von Mietervereinen, wer hier Mieter ist, der ist Mitbesitzer. Also läuft dort so etwas im Sinne der Mieter. Wer Lust hat, könnte hier unser Radiofeature zu diesem Thema nachhören:

https://www.deutschlandfunk.de/sozial-oder-gruen-kopenhagen-als-gruene-metropole-100.html

Bei der Berliner degewo dagegen, Berlins größter Wohnbaugesellschaft und in öffentlicher Hand, ist es kafkaesk. Früher ging das reibungslos, schnell und qualifiziert, heute kommt es vor, dass der Maler beauftragt wird, obwohl die Wand noch gar nicht saniert ist. Kafka hätte auch gelacht, vielleicht könnte man noch Samuel Beckett als Hohepriester aus Absurdistan anrufen, aber wir waren echt real gestresst von dem ständigen Briefeschreiben, Anrufen, Warten auf Godot. Als Ende August endlich die Bodenleger kamen, zog ich mit Jane zum Fahrradfahren in die Lausitz.


Wir mussten uns ausruhen von der degewo-Groteske. Die Ferien auf einem schön sanierten Gutshof in Löbschütz hatten am Anfang ihren eigenen Reiz, es regnete in Strömen, aber über der Weite der Landschaft spielten sich interessante Wechselszenarien von Wolkenbildern und Silberstreifen ab.

Hier ist gut wohnen.

Und hier auch.

Einkaufswanderung im Regen, 2 Stunden vom Wasserschloss bis zum nächsten Supermarkt in Reichenbach, später dann anstrengenden aber sonnigen Fahrradtouren durch das mäßig hügelige Land - Stichwort ausgeplünderte Landschaft, Monokulturen, Monsanto, Mais.

Die Landschaft ist ausgeräumt.

Im Regen lässt es sich prima leben. Was sagt Monsanto dazu?

Und diese Landschaft ist auch ausgeräumt. Ein Gruß von der Treuhand, kauft Brot bei Aldi.

Eigentlich wollten wir nebenbei in Herrnhut zu einem Radioprojekt recherchieren, das hat sich dann leider nicht ergeben, denn am ersten Urlaubstag, das war ein Montag, kam eine Email aus Berlin mit einer Jobanfrage. Irgendeine bottom up Gruppierung mit Verbindung zu den Elektrizitätswerken Schönau - eine vorbildhafte Initiative der ökologischen Zivilgesellschaft, es ist eine eigene Geschichte im Kontext Energierebellentum aus dem Schwarzwald, inzwischen 100 000 Kunden für Ökostrom und sogar eine Dependance in Berlin.
https://www.buerger-energie-berlin.de/
Und dieselbe organisiert in der Kulturfabrik Moabit am kommenden Samstag eine Lange Nacht zum Klima, sagt mir der Kurator am Dienstag dann am Telefon, während ich dem Lausitzer Regen aus unserer Ferienwohnung zusehe, in einem perfekt renovierten Gutshof mit Ferienwohnung, 60 Euro die Nacht.

Leben in Löbau. Ich darf auch mal relaxen.



ClimateX 2023 September


@writing_climate Erst mal Urlaub / September 2023

MZ-BLOG

Regen bringt Segen. In der Lausitz Riesenpilzgewächse an einigen Bäumen.

Aber auch solche Strategien taugen:

Immer hübsch bescheiden und im Kollektiv nach oben streben.

Die ersten Tage im September sind die Tage nach der Sommerpause und die Berliner Festival- und Kulturszene brodelt. Auch die Welt brodelt, dazu später mehr unter #floodingworlds #climateX oder auch @IAAMünchen. In den ersten beiden Wochen des September ist bis zum Klimastreik am 15. einiges los. Im Kontext von Klima, Krise und Konzerne, Klimakultur und Katastrophe - bin ich in diesem Sommer und Herbst eingespannt in Programmarbeit (kreativ) und Antragschreiben (bürokratisch) für neue Klimaprojekte, angespannt wegen einem Wasserschaden in der Küche, den die degewo zu sanieren kaum befähigt ist - ein Abgrund an Bürokratie der jetzt eine kurze Abschweifung provoziert: Sechs Monate, nachdem ein Mitarbeiter eines Subunternehmens der degewo ein Wasserventil falsch eingeschraubt hat, sah das unter unserem Küchenboden so aus:

Jetzt sitzen wir jetzt hier mit einem neuen Linolboden, aber ohne Wasseranschluss und Spüle, denn die nasse Wand muss noch saniert werden. Ein Freund aus Dänemark, der selbst im Metier arbeitet, hat laut gelacht - "Das sind Amateure", aber in Dänemark haben die Mieter ja wirklich etwas zu lachen. Es gibt 500 000 gemeinnützige Wohnungen in der Hand von Mietervereinen, wer hier Mieter ist, der ist Mitbesitzer. Also läuft dort so etwas im Sinne der Mieter. Wer Lust hat, könnte hier unser Radiofeature zu diesem Thema nachhören:

https://www.deutschlandfunk.de/sozial-oder-gruen-kopenhagen-als-gruene-metropole-100.html

Bei der Berliner degewo dagegen, Berlins größter Wohnbaugesellschaft und in öffentlicher Hand, ist es kafkaesk. Früher ging das reibungslos, schnell und qualifiziert, heute kommt es vor, dass der Maler beauftragt wird, obwohl die Wand noch gar nicht saniert ist. Kafka hätte auch gelacht, vielleicht könnte man noch Samuel Beckett als Hohepriester aus Absurdistan anrufen, aber wir waren echt real gestresst von dem ständigen Briefeschreiben, Anrufen, Warten auf Godot. Als Ende August endlich die Bodenleger kamen, zog ich mit Jane zum Fahrradfahren in die Lausitz.


Wir mussten uns ausruhen von der degewo-Groteske. Die Ferien auf einem schön sanierten Gutshof in Löbschütz hatten am Anfang ihren eigenen Reiz, es regnete in Strömen, aber über der Weite der Landschaft spielten sich interessante Wechselszenarien von Wolkenbildern und Silberstreifen ab.

Hier ist gut wohnen.

Und hier auch.

Einkaufswanderung im Regen, 2 Stunden vom Wasserschloss bis zum nächsten Supermarkt in Reichenbach, später dann anstrengenden aber sonnigen Fahrradtouren durch das mäßig hügelige Land - Stichwort ausgeplünderte Landschaft, Monokulturen, Monsanto, Mais.

Die Landschaft ist ausgeräumt.

Im Regen lässt es sich prima leben. Was sagt Monsanto dazu?

Und diese Landschaft ist auch ausgeräumt. Ein Gruß von der Treuhand, kauft Brot bei Aldi.

Eigentlich wollten wir nebenbei in Herrnhut zu einem Radioprojekt recherchieren, das hat sich dann leider nicht ergeben, denn am ersten Urlaubstag, das war ein Montag, kam eine Email aus Berlin mit einer Jobanfrage. Irgendeine bottom up Gruppierung mit Verbindung zu den Elektrizitätswerken Schönau - eine vorbildhafte Initiative der ökologischen Zivilgesellschaft, es ist eine eigene Geschichte im Kontext Energierebellentum aus dem Schwarzwald, inzwischen 100 000 Kunden für Ökostrom und sogar eine Dependance in Berlin.
https://www.buerger-energie-berlin.de/
Und dieselbe organisiert in der Kulturfabrik Moabit am kommenden Samstag eine Lange Nacht zum Klima, sagt mir der Kurator am Dienstag dann am Telefon, während ich dem Lausitzer Regen aus unserer Ferienwohnung zusehe, in einem perfekt renovierten Gutshof mit Ferienwohnung, 60 Euro die Nacht.

Leben in Löbau. Ich darf auch mal relaxen.



MUSA OKWONGA - EIN NEUBERLINER und sein ROMAN


OF PUNCHES AND CAKES
"In The End, It Was All About Love" by Musa Okwonga is a true New-Berliner novel
By Martin Zähringer

(The following text is mostly an automatic translation, the original text in German will be published on 3th of June here:
https://www.literaturport.de/ Leselampe)

It makes sense to move from the metropolis of capital to the metropolis of culture to pursue the adventure of writing. Londoner Musa Okwonga did just that, possibly seduced by Wowereit's city marketing to bohemia in Berlin - Arm-Aber-Sexy (poor but sexy). Anyway, he gave up a capitalist career in London and moved to Berlin-Friedrichshain to pursue an artistic one. Among other things as a musician, city flaneur with Handycam, author of soccer books, essayist in many branches and digital author with now over 100,000 followers. Looking at that quota in digital media, that looks like a good choice (I'm at one hundred and two after 1 year, but more active @mzlections as a sideline). How Okwonga's soccer books are selling is beyond me, but in his debut novel "Es ging immer nur um Liebe" (In The End, It Was All About Love, Rough Trade Books) the balance of his "German adventure" looks a bit precarious.

There was not always love in Berlin, but also hatred and baseness, and success in the social media world is based on self-exploitation and often on social isolation. At the beginning of the novel - and in the aftermath of an artfully executed literary writing process - it is reflected thus:
"Sooner or later, Berlin will punch you in the pit of the stomach. When that happens, please try not to take it personally - try instead to think of it as a stamp in your passport, a sign of your arrival. If you don't, you won't get far here. If you stay here long enough, Berlin will plant a kiss on your forehead and show you its less rude side."
(automatically translated)

The kiss may come, but surely the blow comes. It comes in the form of a racist attack on the novel's protagonist, who is addressed in the text as You. In his moves across Berlin, this You initially feels less of the "rude side" and not so much of that "black gravity" that, according to the text, always grips a person with dark skin as soon as he leaves his apartment. The You settles into Berlin, roams the districts, strolls, plays soccer with friends, takes his cousin to the Wannsee, goes out to dinner and on dates, which are not always successful, because at some point bisexuality comes up, a diffuse problem for potential partners of either sex.

(On 3th of June in @BallhausPrinzenallee there will be a reading with Musa Okwonga, and also some context readings by actors. They read from Isherwood, Rankine and Morrison, all recommended by Musa Okwonga)

The Berlin cakes, on the other hand, are convincing, despite the icing (Zuckerguss), and he is always on the trail of the moments of tension in everyday life that can be used as impressions for the growing readership in social media. It goes without saying that these Berlin impressions, also captured by cell phone camera, are transformed into stylish descriptive art in the novel text. Here, Okwonga's Neuberliner novel successfully stays in the tradition of the flâneur, offering exciting glimpses of the city for the Oldberliner as well. The main interest, however, is aroused by the psychological journey of exploration, a self-analysis inflected in the du, which deals increasingly oppressively with depression, loneliness, fears of failure, and social deprivation.

The artist's self-doubt gnaws at him; he can't even afford a trip to London when his rich friends celebrate their fortieth there; it drags down, but it never quite drags the reader down. Poetic interventions of this sort make sure of that:
"Thank God for Berlin. Here you can sink into equally lonely people, one night after another; into their arms, their beds. Sometimes, if you welcome them sufficiently, they will look around, lower their voices, then pull a tightly crumpled handkerchief out of one of their pockets, slowly unfold it, and show you the sparkling fragments inside. Look, they will say. This has been broken. Once they do, you will very likely never see them again. You also carry your balled-up handkerchief around with you, deep in your stomach, and every month when loneliness sets in, it feels like the handkerchief has been stolen. A theft for which you are grateful."

The novel is a journey in three parts - part one: a migrant from London moves through Berlin in search of his place in the world and finds himself, but the I is a trauma. Part two - he embarks on an inner journey with an African psychologist, which ends up confronting him with voodoo. Part three - he travels to Uganda, where the wounds of his family history open up in view of the political tragedy of the 1990s - cue Idi Amin, and of the continued dictatorship - cue Yoweri Museveni.

The arduous self-examination redeems, but it does not redeem without rest. The burden of history lies as heavily on this You as the "black gravity" of racism in Berlin. Self-awareness is possible in the mirror of the social, and this Neuberliner novel shows us drastically what that can be in Berlin right now, for a person of color. But to the You in the novel, "The Berlin Blow" holds a concrete lesson - depression and self-loathing are not grounded in the individual. "In The End, It Was All About Love" is a true story, a real New Berlin novel of our time. What is convincing here is the choice of the "You" form, because in the outside view of the reflection we get deep into the abysses of a radical self-exploration, it is that of a "stranger in Berlin" who in the end will arrive at another self.

Berlin is not Germany is the opening chapter, which may well be true, but unfortunately it now has some of that "rude" Germany in which "strangers" and especially People of Color live dangerously. It is the worst trend of the time, a visitor from London says something similar in the novel: "London is not England, which is changing a lot, but London is changing too". It is a great merit of this novel to put a finger in this European wound.

And here some of my creative posters to the context readings, which will take place before the main act with Musa Okwonga on 3th of June in Ballhaus Prinzenallee, Prinzenallee 33, 13359 Berlin Tickets here: https://www.eventim-light.com/de/a/63b55e5b87311c0660cf4ec1/e/645273b8d0c3b3664d9fd38d:



RAVE AGAINST THE WAR


INTERVIEW with ANNA DEMIDOVA from The Run: Refugee Rave Team

Question: When did you arrive in Berlin?

Anna: On March 8, 2022.

Question: What was your reason for leaving Russia?

Anna: When the war started on February 24 last year, I participated in the protests in Moscow. Usually when you protest, there is always an organization or a person who organizes it. So it's well organized and people know where to go, what to do. But in this case it was very spontaneous, it just happened out of the will of people who were against the war and found the war ridiculous. There was a lack of organization; the police, on the other hand, were very well organized. Many larger organizations that would normally organize the protest suggested it would be better to form grassroots organizations, organize your friends, the people you know, and go to the small protests because they are harder to capture by the police.

Question: You then organized something yourself?

Anna: I wanted to do my part and every day I went to the streets of Moscow to protest and I saw that every day there were more and more police, less and less people went to the streets because they were afraid. A few days after the war started it was almost impossible to demonstrate in the center of Moscow, as soon as you came out of the metro station there was a police car waiting for you. And every day I saw more and more cars with Z-signs and more and more pro-war people, I thought they were so ridiculous.

Question: But it became more dangerous?

Anna: Yes, it wasn't safe for me anymore, also because the police tried to catch me and somehow I also saw that all my efforts were kind of useless. That was the moment when I made the decision to leave, and because I knew that the police were after me, I had to make that decision very, very quickly. I had to pack my whole life in a suitcase and I only had one day to do it. So I don't know, it was crazy, but I did it. Yeah, and then I left.

Question: Do you plan to go back?

Anna: I can't. The moment I arrive or shortly after, I will be arrested by the police and sent to jail. And I can't let that happen, if you get arrested by the police and go to jail, you are prevented from doing something. But it's really important to protest, to do something, to oppose this system. When you're in jail, you can't change anything.

Question: When did you start theater in Russia?

Anna: I started playing roles for my family as a toddler, then in school, I attended theater classes, went to a university to study acting and started my acting career. But I always thought I could do more than just repeat the words someone else wrote for me. So at some point I did my own performance, I realized that I had something to say myself, values to convey and something that I thought was really important. At that time I didn't have any training as a director so I just put together a team, there were a lot of people who surprisingly wanted to work with me and so we did this performance with six actors and four musicians. There was a band and it was really crazy. After that I started to train and then in 2018 I started my own theater company with this first theater production. Then I started doing more and more and had this theater in Moscow for five years.

Question: Something like now?

Anna: Something like now. But right now I couldn't say we are a compagny. We're a bunch of theater people, we've been together for a series of performances and now we've started to do the second one for the Performance Festival in Berlin in early June 2023.

Question: Was your idea to do political theater in Russia?

Anna: Yes, that's a good question. I think most of the problems Russia has right now are due to a certain mentality of the Russian people, which is very hierarchical. People are always looking for a leader or a person, usually a big man, to tell them what to do. And so it is in all the state theaters that we have, there is always this big director at the top of the pyramid and all the other people serve him. That's kind of funny, in the Russian language we don't say we work in the theater, we say - We serve a theater, yes. And that's something very different from what I want to do in my life. I don't want to serve anybody.

Question: Were you able to realize anything else in Russia?

Anna: It was my vision, an egalitarian way of working, and to be honest there was some resistance even from the actors. Actors are not used to working like this. From the moment they go to university, there's this main teacher they call the master. Even that word, the master. From the very beginning they will blindly believe what this person says, perceiving themselves and their weaknesses and strengths only through his eyes. By the way, this is always a man.

Question: When did you start working with theater in Berlin?

Anna: Almost from the moment I arrived. I already had an idea on the plane, that started with a play by Mikhail Bulgakov called "The Flight". I've read a lot of his plays and books and generally like them a lot, but this one I never understood because the narrative is very unclear. There are these eight dreams of something and you always get lost in the narrative. But then the epiphany came. I hadn't slept for two days because I really had to pack my things very quickly and organize everything, I couldn't sleep because of all the adrenaline. Then my plane was always delayed and I was really afraid that I might not be able to fly because the plane was constantly delayed. When I was finally on the plane, it was 8:00 in the morning, and I said, "Please bring me some wine." I got some wine and started reading this book again, The Flight, and suddenly it was clear to me, "Oh my God, now I understand what the book is about."

What Mikhail Bulgakov wrote about happened in 1922, about 100 years ago, and it was just as crazy as what I just experienced. There are also these points on the map like Russia, Ukraine, Turkey, Istanbul, Europe, some European cities. So I thought this form of a dream is a very interesting narrative, a very interesting form to talk about the refugee experience.

Question: Did you then think about some destinies and create a script?

Anna: No, not at all. I was collecting these stories. My flight first went to Istanbul and I was so surprised to meet so many of my friends and colleagues there who fled Russia for the same reason, all kinds of persecution. I also met many new people and I was really shocked by their stories, especially the conflicts with their parents. Some of these parents said, "Oh, you don't support Putin. Then you're not our son anymore either. We don't want you in the family." There were really big, big conflicts within the families. And people told me crazy stories about how they moved from Russia to Turkey. And then when I arrived in Berlin, I met a lot of people from Ukraine, and their stories were even crazier, how they fled bombs and other things from this terrible war.

Question: How did Bulgakov now help capture these stories?

Anna: So at first I collected all these stories and thought it would be exciting to perform them, but how? When I encouraged people to talk, everyone told something, but they were nightmares, I couldn't believe that this should be real, it was all like a bad dream. But it's similar with Bulgakov, he realized this and I thought, exactly, the dream is the right form for such stories. This was to become a performance with eight dreams set in different places.

Question: But that already sounds like a classic work with author, director, actresses working from text.

Anna: It went differently. I met different artists in Berlin and we started to improvise and exchange, we shared some of my working methods and it was exactly as I described before. And in the end there were eight artists participating in one production.

Question: So it's not about the eight stories of the people we see on stage?

Anna: I would say we were more inspired by the stories, but it's not that the performance itself is not real. We use this documentary material, then we create a story from it and add something, we are very, very flexible. Also, this is, as we say, a dream. So this is not the real story.

Question:. A Russian director and Ukrainian actresses. Isn't that terribly complicated at the moment?

Anna: I think it's very important among people from different countries, especially from Russia and Ukraine, to listen to each other, that happens way too rarely. By talking and listening we can solve a lot of problems, it's so simple, even if it sounds like a corny saying, but it really helps. When you listen and recognize what other people's needs are, what they would like to do, what they would like to promote, what ideas are important to them, when you support their ideas, then collaborative work is possible. So for me that was really important, for me as a person, I'm very interested in their stories. And I'm very interested in talking and communicating with Ukrainian artists and understanding what they think. Who are they, what is their world like, how can we do something together? I also questioned myself and thought about basic things like respect, trust, conversations and questions.

Question: Was the performance at Ballhaus Prinzenallee your premiere?

Anna: Before that we had the official premiere, because we also needed some funding to make that premiere possible. We didn't have any money, so we couldn't lift a big production with nice costumes, nice sets, lighting and so on. But we still wanted to go through a few roles and we did this little showcase in September, just a few scenes, at a place called PAS Petersburg Art Space Berlin.

Question: What is The Run - Refugee Rave in terms of genre?

Anna: Okay. I'll try to explain. So, these are eight dreams from eight different refugees or immigrants or people with a migration background. It's related, of course, to the ongoing war in Ukraine. These were our dreams, our nightmares in this time of war. We are different people from different places, but we share this common experience, and we want to bring it to the audience. But not moralistic, so to say: Putin is a bad person! War is a bad thing! That's clear. Everybody knows that. There's no point in doing a performance just because of that.

Question: What else can you achieve in the theater?

Anna: Theater should also be fun. We want our audience to get to know us better. To get closer to us, to feel us better. Berlin is such an international city with people from many different countries, but everyone lives on their own planet and is focused on their own problems. And the Theater is really a cool way to get in touch with people. Usually people find something unknown scary. We're here to show that we're not scary. Maybe we all have the same problems.

Question: But now you have several languages on stage and English subtitles, but not always. How do the ideas come across if the audience doesn't know the languages?

Anna: It doesn't always have to be text. By the way, we have subtitles in German and in English, sometimes we switch, one day in German, the other day in English. There are five languages spoken in the performance: English, Ukrainian, Russian, Romanian and Italian. And I wanted to keep those languages because I think it's nice to speak different languages. Every new language you learn is a new way of thinking.

Question: Do you want to create your own language for your subject?

Anna: In a way, yes, there are many more means than speaking. The stage and costume design by the great designer Alexandra Kharina. These visual things are already a language of their own. We also have a fantastic music created by composer Zaur Dakhuzhev and played by DJ Alla Krokha. This is also a language, and there is a lot of singing and music, so we call it The Run Refugee Rave, that is the real rave with a real DJ, and we have a professional choreography by Alexandr Andriyashkin. There are many languages with us and The Run: Refugee Rave itself is already a new language.

Fotos Pavel Metelitsyn and Lika Petrychenko



Rave Against The War


INTERVIEW mit ANNA DEMIDOVA von The Run: Refugee Rave Team

Frage: Wann bist du in Berlin angekommen?

Anna: Am 8. März 2022.

Frage: Was war dein Grund, Russland zu verlassen?

Anna: Als der Krieg am 24. Februar letzten Jahres begann, habe ich an den Protesten in Moskau teilgenommen. Wenn man protestiert, gibt es normalerweise immer eine Organisation oder eine Person, die das organisiert. Es ist also gut organisiert und die Leute wissen, wohin sie gehen sollen, was sie tun sollen. Aber in diesem Fall war es sehr spontan, es geschah einfach aus dem Willen der Menschen heraus, die gegen den Krieg waren und den Krieg lächerlich fanden. Es fehlte an Organisation, die Polizei dagegen war sehr gut organisiert. Viele größere Organisationen, die normalerweise den Protest organisieren würden, schlugen vor, es wäre besser, Basisorganisationen zu bilden, organisiere deine Freunde, die Leute, die du kennst und gehe zu den kleinen Protesten, weil sie schwerer von der Polizei zu erfassen sind.

Frage: Du hast dann selbst etwas organisiert?

Anna: Ich wollte meinen Teil beitragen und ging jeden Tag auf die Straßen Moskaus, um zu protestieren und ich sah, dass es jeden Tag mehr und mehr Polizei gab, immer weniger Menschen gingen auf die Straße, weil sie Angst hatten. Ein paar Tage nach Kriegsbeginn war es fast unmöglich, im Moskauer Stadtzentrum zu demonstrieren, sobald man aus der Metrostation kam, wartete ein Polizeiauto auf einen. Und jeden Tag sah ich mehr und mehr Autos mit Z-Zeichen und immer mehr Kriegsbefürworter, ich fand die so lächerlich.

Frage: Aber es wurde gefährlicher?

Anna: Ja, es war nicht mehr sicher für mich, auch weil die Polizei versucht hat, mich zu schnappen und irgendwie sah ich auch, dass all meine Bemühungen irgendwie sinnlos waren. Das war der Moment, als ich den Entschluss fasste, zu gehen, und weil ich wusste, dass die Polizei hinter mir her war, musste ich diese Entscheidung sehr, sehr schnell treffen. Ich musste mein ganzes Leben in einen Koffer packen und hatte nur einen Tag Zeit, um das zu erledigen. Also ich weiß nicht, es war verrückt, aber ich habe es geschafft. Ja und dann bin ich gegangen.

Frage: Hast du vor, zurückzugehen?

Anna: Ich kann nicht. In dem Moment, in dem ich ankomme oder kurz danach werde ich von der Polizei verhaftet und ins Gefängnis geschickt. Und das kann ich nicht zulassen, wenn man sich von der Polizei verhaften lässt und ins Gefängnis kommt, wird man daran gehindert, etwas zu tun. Aber es ist wirklich wichtig, zu protestieren, etwas zu tun, sich diesem System zu widersetzen. Wenn man im Gefängnis sitzt, kann man nichts ändern.

Frage: Wann hast du in Russland mit dem Theater angefangen?

Anna: Ich habe schon als Kleinkind Rollen gespielt für meine Familie, dann in der Schule, ich besuchte Theaterkurse, ging auf eine Universität, um Schauspiel zu studieren und begann meine Schauspielkarriere. Aber ich dachte immer, dass ich mehr kann als nur die Worte zu wiederholen, die jemand anderes für mich geschrieben hat. Also habe ich irgendwann eine eigene Performance gemacht, mir wurde klar, dass ich selbst etwas zu sagen habe, Werte zu vermitteln habe und etwas, das ich für wirklich wichtig halte. Damals hatte ich noch keine Ausbildung als Regisseurin, also habe ich einfach ein Team zusammengestellt, es gab eine Menge Leute, die überraschenderweise mit mir arbeiten wollten und so haben wir diese Aufführung mit sechs Schauspielern und vier Musikern gemacht. Es gab eine Band und es war echt verrückt. Danach habe ich angefangen, mich weiterzubilden und 2018 habe ich dann meine eigene Theatercompagny gegründet mit dieser ersten Theaterproduktion. Dann habe ich angefangen, mehr und mehr zu machen und hatte fünf Jahre lang dieses Theater in Moskau.

Frage: So ähnlich wie jetzt?

Anna: So ähnlich wie jetzt. Aber im Augenblick könnte ich nicht sagen, dass wir eine Compagny sind. Wir sind ein Haufen Theaterleute, waren für eine Reihe von Aufführungen zusammen und haben jetzt angefangen, die zweite für das Performance Festival in Berlin Anfang Juni 2023 zu machen.

Frage: War deine Idee in Russland politisches Theater zu machen?

Anna: Ja, das ist eine gute Frage. Ich denke, die meisten Probleme, die Russland derzeit hat, sind auf eine bestimmte Mentalität der russischen Bevölkerung zurückzuführen, die sehr hierarchisch ist. Die Leute suchen immer nach einem Anführer oder einer Person, normalerweise einem großen Mann, der ihnen sagt, was sie zu tun haben. Und so ist es auch in allen Staatstheatern, die wir haben, da gibt es immer diesen großen Direktor an der Spitze der Pyramide und alle anderen Leute dienen ihm. Das ist irgendwie lustig, in der russischen Sprache sagen wir nicht, dass wir im Theater arbeiten, wir sagen - Wir dienen einem Theater, ja. Und das ist etwas ganz anderes als das, was ich in meinem Leben tun möchte. Ich möchte niemandem dienen.

Frage: Konntest du in Russland etwas anderes realisieren?

Anna: Es war meine Vision, eine egalitäre Arbeitsform, und um ehrlich zu sein gab es doch einige Widerstände sogar von Seiten der Schauspieler:innen. Schauspieler sind es nicht gewohnt, so zu arbeiten. Von dem Moment an, in dem sie auf die Universität gehen, gibt es diesen Hauptlehrer, den sie den Meister nennen. Schon dieses Wort, der Meister. Von Anfang an werden sie blind glauben, was diese Person sagt, und sich selbst und ihre Schwächen und Stärken nur durch seine Augen wahrnehmen. Das ist übrigens immer ein Mann.

Frage: Wann hast du angefangen, mit dem Theater in Berlin zu arbeiten?

Anna: Fast von dem Moment an, als ich ankam. Ich hatte schon im Flugzeug eine Idee, das begann mit einem Theaterstück von Michail Bulgakow, das "Die Flucht" heißt. Ich habe viele seiner Theaterstücke und Bücher gelesen und mag sie im Allgemeinen sehr gerne, aber dieses hier habe ich nie verstanden, weil die Erzählung sehr unklar ist. Es gibt diese acht Träume von irgendetwas und man verliert sich immer in der Erzählung. Aber dann kam die Erleuchtung. Ich hatte zwei Tage lang nicht geschlafen, weil ich wirklich sehr schnell meine Sachen packen und alles organisieren musste, vor lauter Adrenalin konnte ich nicht schlafen. Dann war mein Flugzeug immer verspätet und ich hatte wirklich Angst, dass ich vielleicht nicht fliegen kann, weil das Flugzeug ständig Verspätung hat. Als ich endlich im Flugzeug saß, war es 8:00 Uhr morgens, und ich sagte: "Bitte bring mir etwas Wein”. Ich bekam Wein und fing an, dieses Buch wieder zu lesen, The Flight, und plötzlich war es mir klar: "Oh mein Gott, jetzt verstehe ich, worum es in dem Buch geht.”
Worüber Michail Bulgakow schrieb, geschah 1922, also vor etwa 100 Jahren, und es war genauso verrückt wie das was ich soeben erlebte. Es gibt auch diese Punkte auf der Landkarte wie Russland, die Ukraine, die Türkei, Istanbul, Europa, einige europäische Städte. Da dachte ich, diese Form eines Traums ist eine sehr interessante Erzählung, eine sehr interessante Form, um über die Flüchtlingserfahrung zu sprechen.

Frage: Hast du dir dann einige Schicksale überlegt und ein Script erstellt?

Anna: Nein, überhaupt nicht. Ich habe diese Geschichten gesammelt. Mein Flug ging zunächst nach Istanbul und ich war so überrascht, dort so viele meiner Freunde und Kollegen zu treffen, die aus dem gleichen Grund aus Russland geflohen sind, alle möglichen Arten von Verfolgung. Ich habe auch viele neue Leute kennen gelernt und war ich wirklich schockiert von ihren Geschichten, vor allem von den Konflikten mit ihren Eltern. Einige dieser Eltern sagten: "Oh, du unterstützt Putin nicht. Dann bist du auch nicht mehr unser Sohn. Wir wollen dich nicht in der Familie haben.” Da gab es wirklich große, große Konflikte innerhalb der Familien. Und die Leute haben mir verrückte Geschichten erzählt, wie sie von Russland in die Türkei gezogen sind. Und als ich dann in Berlin ankam, traf ich viele Menschen aus der Ukraine, und ihre Geschichten waren noch verrückter, wie sie vor Bomben flüchteten und anderes aus diesem furchtbaren Krieg.

Frage: Wie hat jetzt Bulgakow geholfen diese Geschichten zu erfassen?

Anna: Also zunächst habe ich all diese Geschichten gesammelt und dachte, es wäre spannend, sie aufzuführen, aber wie? Wenn ich die Leute zum Reden ermuunterte, hat jeder etwas erzählt, aber es waren Albträume, ich konnte nicht glauben, dass dies real sein soll, es war alles wie ein schlechter Traum. Aber ähnlich ist es bei Bulgakow, er hat dies umgesetzt und ich dachte, genau, der Traum ist die richtige Form für solche Geschichten. Daraus sollte eine Performance mit acht Träumen werden, die an verschiedenen Orten spielen.

Frage: Aber das klingt ja schon wie eine klassische Arbeit mit Autorin, Regisseurin, Schauspielerinnen die nach Text arbeiten.

Anna: Es lief anders. Ich traf in Berlin verschiedene Künstler und wir begannen zu improvisieren und uns auszutauschen, wir teilten einige meiner Arbeitsmethoden und es war genau so, wie ich es schon beschrieben habe. Und am Ende waren es acht Künstler, die an einer Produktion teilnahmen.

Frage: Es geht also nicht um die acht Geschichten der Menschen, die wir auf der Bühne sehen?

Anna: Ich würde sagen, wir haben uns eher von den Geschichten inspirieren lassen, aber es ist nicht so, dass die Performance selbst nicht real wäre. Wir verwenden dieses dokumentarische Material, dann kreieren wir eine Geschichte daraus und fügen etwas hinzu, wir sind sehr, sehr flexibel. Außerdem ist dies, wie wir sagen, ein Traum. Das ist also nicht die wahre Geschichte.

Frage:. Eine russiSche Regisseurin und ukrainische Schauspielerinnen. Ist das im Moment nicht furchtbar kompliziert?

Anna: Ich denke, es ist sehr wichtig bei Menschen aus verschiedenen Ländern, besonders aus Russland und Ukraine, dass man einander zuhört, das geschieht viel zu selten. Durch Reden und Zuhören können wir eine Menge Probleme lösen, das ist so einfach, auch wenn es wie ein kitschiger Spruch klingt, aber es hilft wirklich. Wenn man zuhört und erkennt, was die Bedürfnisse anderer Menschen sind, was sie gerne tun würden, was sie gerne fördern würden, welche Ideen ihnen wichtig sind, wenn man ihre Ideen unterstützt, dann ist eine gemeinsame Arbeit möglich. Für mich war das also wirklich wichtig, für mich als Mensch, ich bin sehr an ihren Geschichten interessiert. Und ich bin sehr daran interessiert, mit ukrainischen Künstlern zu sprechen und zu kommunizieren und zu verstehen, was sie denken. Wer sind sie, wie sieht ihre Welt aus, wie können wir gemeinsam etwas tun? Ich habe auch mich selbst befragt und über grundlegende Dinge wie Respekt, Vertrauen, Gespräche und Fragen nachgedacht.

Frage: War die Aufführung im Ballhaus Prinzenallee eure Premiere?

Anna: Davor hatten wir die offizielle Premiere, weil wir auch eine gewisse Finanzierung brauchten, um diese Premiere zu ermöglichen. Wir hatten kein Geld, so dass wir keine große Produktion mit schönen Kostümen, schönen Kulissen, Beleuchtung und so weiter stemmen konnten. Aber wir wollten trotzdem ein paar Rollen durchspielen und haben im September diesen kleinen Showcase gemacht, nur ein paar Szenen, an einem Ort namens PAS Petersburg Art Space Berlin.

Frage: Was ist The Run - Refugee Rave in Bezug auf das Genre?

Anna: Okay. Ich werde versuchen, es zu erklären. Das sind also acht Träume von acht verschiedenen Flüchtlingen oder Einwanderern oder Menschen mit Migrationshintergrund. Es hängt natürlich mit dem andauernden Krieg in der Ukraine zusammen. Das waren unsere Träume, unsere Alpträume in dieser Kriegszeit. Wir sind unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Orten, aber wir teilen diese gemeinsame Erfahrung, und wir möchten sie dem Publikum nahe bringen. Aber nicht moralistisch, also zu sagen: Putin ist ein schlechter Mensch! Krieg ist eine schlechte Sache! Das ist klar. Das weiß jeder. Es hat keinen Sinn, nur deswegen eine Performance zu machen.

Frage: Was kannst du denn im Theater sonst ereichen?

Anna: Theater soll auch Spaß machen. Wir wollen, dass unser Publikum uns besser kennenlernt. Uns näher kommt, uns besser fühlen kann. Berlin ist so eine internationale Stadt mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern, aber jeder lebt auf seinem eigenen Planeten und ist auf seine eigenen Probleme konzentriert. Und das Theaer ist wirklich ein cooler Weg, um mit Menschen in Kontakt zu treten. Normalerweise empfinden Menschen etwas Unbekanntes als beängstigend. Wir sind hier um zu zeigen, dass wir nicht beängstigend sind. Vielleicht haben wir ja alle die gleichen Probleme.

Frage: Aber jetzt hast du mehrere Sprachen auf der Bühne und englische Untertitel, aber nicht immer. Wie kommen die Ideen den an, wenn das Publikum die Sprachen nicht kennt?

Anna: Es muss nicht immer Text sein. Wir haben übrigens Untertitel auf Deutsch und auf Englisch, manchmal wechseln wir, an einem Tag auf Deutsch, am anderen Tag auf Englisch. Es gibt fünf Sprachen, die in der Aufführung gesprochen werden: Englisch, Ukrainisch, Russisch, Rumänisch und Italienisch. Und ich wollte diese Sprachen beibehalten, weil ich finde, dass es schön ist, verschiedene Sprachen zu sprechen. Jede neue Sprache, die man lernt, ist eine neue Art zu denken.

Frage: Willst du eine eigene Sprache für dein Thema erschaffen?

Anna: Irgendwie schon, es gibt ja viel mehr Mittel als das Sprechen. Das Bühnen- und Kostümdesign von der großartigen Designerin Alexandra Kharina. Diese visuellen Dinge sind schon eine eigene Sprache. Außerdem haben wir eine fantastische Musik vom Komponisten Zaur Dakhuzhev geschaffen und von DJ Alla Krokha gespielt. Auch das ist eine Sprache, und es gibt viel Gesang und Musik, deshalb nennen wir es The Run Refugee Rave, also den echten Rave mit einem echten DJ, und wir haben eine professionelle Choreografie von Alexandr Andriyashkin. Es gibt viele Sprachen bei uns und The Run: Refugee Rave selbst ist bereits eine neue Sprache.

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Literatur Aktion Wedding 2 BEHZAD KARIM KHANI


BEHZAD KARIM KHANI

Am 1. Mai 2023 war der Autor Behzad Karim Khani bei uns zu Gast. Es war die zweite Lesung unserer Reihe Literatur Aktion Wedding, und der Autor schien sich wohlgefühlt zu haben. Wir einigten uns am Anfang der Veranstaltung auf das Du, ganz passend für zwei Menschen, die nicht unbedingt eine bildungsbürgerliche Schau abziehen müssen. Es geht um mehr als Distinktion, um das echte Leben in guter Literatur.

Behzad, der offen über seine Jugend in genau dem Milieu spricht, das er im Roman „Hund Wolf Schakal“ beschreibt, musste nach einer Karriere auf der Straße zunächst Bauzeichner werden, um in die Architektur zu kommen, die ihn aber nicht weiterbrachte. Er studierte Medienwissenschaft, kam dann zum Schreiben und mit seinem Debutroman zu Hanser Berlin. Ich selbst, der Moderator und Kurator der Reihe, habe auch eine Weile gebraucht, um im Kulturleben anzukommen. Behzad landete mit seinen aus dem Iran geflüchteten Soziologen-Eltern in Deutschland im Prekariat und stellte sich selbst noch weiter außerhalb der gesellschaftlichen Mitte, ich war ein Kind des Proletariats; als oberster Abschluss war die Realschule vorgesehen, die habe ich als notorischer „Störer“ vorzeitig beendet. Mit einiger Verspätung kam ich über einen Steinmetzabschluss und Abitur am Berlin Kolleg dann doch zu einem Magister in Literatur. Damit zur zweiten Ader unseres guten Drahtes auf der Bühne – die deutsche Sprache. Wir lieben sie, und Peter Weiss.

Peter Weiss gehört zu den drei Autoren, die Behzad für das Vorprogramm ausgesucht hat, mit seinem Roman „Abschied von den Eltern“.

Ich selbst entdeckte das Hauptwerk von Peter Weiss „Ästhetik des Widerstands“ am Ende meines Uni-Studiums, womit allein sich das schon gelohnt hatte: Die ÄdW ist ein Riesenroman, den Behzad mehrfach angefangen hat, wie er uns erzählte, aber im Gegensatz zu allem anderen von Peter Weiss nicht zu Ende las. Es lässt sich in der Tat nicht so gut alleine lesen, irgendwann bilde ich noch mal eine Lesegruppe „ÄdW“, dieses fast vergessene Werk ist so wichtig für die Literatur, komplex und voller Bezüge zur Geschichte der Revolutionen, zu ihren Bildern und Texten, zur Geschichte des Widerstandes gegen Faschismus und Unterdrückung, und Behzad wäre herzlich eingeladen.

LEKTÜREN IM KONTEXT
Aber jetzt zum Vorprogramm unserer Literaturreihe im Theater. Es besteht aus den von Schauspieler:innen vorgetragenen Textpassagen aus drei Büchern, die dem Gast des Abends wichtig sind.
Ich erinnere hier an die Auftaktveranstaltung mit der im Wedding aufgewachsenen Autorin Nadire Biskin.

Nadire nannte den dänischen Dichter Yahya Hassan, die schwedische Dichterin Athena Farrokzhad und die deutsche Autorin Fatma Aydemir, die ebenfalls einen Wedding Roman geschrieben hat.

Die Zuordnungen dänisch, schwedisch und deutsch gelten hier nicht den Nationen, sondern der Sprache, in der geschrieben wird. Die Sprachen sind kategoriale Orientierungen in der höchsten zivilisatorischen Körperschaft, die ich anerkenne, das ist die Literatur. Sprachbarrieren sind durch Übersetzung zu überbrücken, und das Übersetzen wiederum hat noch eine andere Ebene in der Literatur: Übersetzt werden auch die kulturellen Differenzen, die unsere Völker in den letzten 5 Jahrhunderten in diese erbärmliche Situation gebracht haben, zur Allgegenwart von Rassismus, Frauenfeindlichkeit, ökonomischer Ungleichheit, Krieg, Unterdrückung und Ökokatastrophe. In der Auswahl seiner Literaturen im Kontext hat Behazd Karim Khani eine deutliche Spur aufgezeigt: Von Peter Weiss /Abschied von den Eltern über Feridun Zaimoglu / Kanak Sprak

zu James Baldwin / Nach der Flut das Feuer zieht sich ein roter Faden der literarischen Widerstands-Geschichte der Verfemten und Verfolgten.

Was diese Werke mit Behzad Karim Khani verbindet, ist wahrscheinlich ihre Radikalität: Bei Peter Weiss die radikale Offenheit der Selbsterforschung, zugleich ist sein Roman ein radikales Formexperiment absoluter Prosa; bei Feridun Zaimoglu die radikale Selbstermächtigung, die Umkehrung der gesellschaftlichen Verachtung in Stolz durch die Sprache der Straße; bei James Baldwin die radikale intellektuelle und künstlerische Selbstbehauptung in der tödlichen Rassistengesellschaft seiner Zeit, wobei unsere Zeit auch dieses Problem noch nicht gelöst hat. Insofern sind diese Bücher von absoluter Relevanz.
Lodi Toumin und Franziska Krol haben die Textpassagen auf eine sehr empathische und engagierte Art vorgelesen, mussten aber auf die bereits eingeübten Texte von James Baldwin verzichten, weil der deutsche Verlag uns die Rechte dafür nicht geben konnte, diese Art der Nebenrechte liegt bei den Erben in den USA. Stattdessen las Franziska meine Rezension aus der NZZ aus dem Jahr 2018, als die Herausgabe der Werke Baldwins in einer Reihe bei dtv gerade begonnen hatte.

https://www.nzz.ch/feuilleton/hass-laesst-sich-biegen-aber-nicht-brechen-james-baldwins-erster-roman-neu-uebersetzt-ld.1376154
Auch Literaturkritik ist Text, der das seine zur literarischen Aufklärung beiträgt.

Nach der Veranstaltung am 1. Mai bekam ich von mehreren Seiten zu hören, das Format ist gut. Das macht mich ein bisschen stolz, zumal ich schon länger versuche es zu etablieren.

Behzad Karim Khani hat seine Rolle als Hauptakt des Abends zweifellos ausgefüllt und uns reichlich aus seinem Leben und über sein Verständnis von Literatur erzählt. Von ganz unten nach ganz oben, das könnte man sagen bei einem Menschen, der in seiner Jugend auf kleinkriminellen Pfaden wanderte und mit seinem Debutroman gleich bei Hanser Berlin erscheinen durfte.
Aber das würde beidem nicht ganz gerecht: Hanser ist zwar gut, aber die Literaturgesellschaft an und für sich ist nicht ganz so erhaben wie sie es manchmal zu sein scheint. Und ihr Gegenpol hier, das Milieu der Dealer, Schläger, Prostiuierten und Knastkarrieren ist natürlich auch nicht ganz so tief da unten, wie die gute Gesellschaft vermutet, die es sich vom Halse hält. Es gibt eine organische Verbindung zwischen den Schichten und eine dialektische Spannung in der künstlerischen Karriere eines Menschen, der wie man so sagt – aufsteigt.



LITERATUR AKTION WEDDING


Kurze Beschreibung meiner neuen Literaturreihe im Wedding mit Nadire Biskin, Behzad Karim Khani, Musa Okwonga und Emine Sevgi Özdamar. mehr dazu auf der Website und anderen Medien

LITERATUR AKTION WEDDING / LEKTÜREN IM KONTEXT

Die Literatur bedarf der Förderung und der Vermittlung. Das gilt insbesondere im Bereich der internationalen Literatur, der übersetzten Literatur und der minoritären Literaturen. Ich arbeite seit etwa 20 Jahren als Literaturkritiker für die deutschsprachigen Sender und Printmedien in diesem Spektrum, als literarischer Übersetzer bin ich für den dänischen Kunstfond /Statens Kunstfond und als Kurator für das interdisziplinäre Climate Cultures Festival Berlin tätig, das immer einen gewissen Anteil internationaler Literatur präsentiert. Ich habe mich also immer bemüht, das deutschsprachige Lesepublikum mit der Literatur anderer Länder und Kulturen vertraut zu machen. Dazu gehört auch die Vermittlung von Sachwissen jenseits der belletristischen Werke, was besonders gut gelingen kann, wenn z.B. im Zuge der Gastlandauftritte auf der Frankfurter Buchmesse auch zahlreiche Sachbücher der jeweiligen Länder übersetzt werden. Denn dann werden Kultur, Politik und Geschichte aus einer anderen als der uns vertrauten eigenkulturellen Experten-Perspektive vermittelt - wir genießen auf dem Markt der übersetzten Literatur eine exklusive Kultur der Lektüren im Kontext.

LEKTÜREN IM KONTEXT
Insofern hat mir das Gebiet Übersetzte Literaturen (nicht gleichzusetzen mit Übersetzungskritik) in den letzten Jahren gezeigt, dass der Genuss guter Literatur sehr vorteilhaft zu verbinden ist mit Kontextlektüren. Das lässt sich auch mit Bezug auf Themen der Literatur durchführen: Statt fünf dystopische Romane über den Klimawandel zu lesen, mit dem entsprechenden Frustrationsdilemma, lassen sich auch beispielsweise ein Roman, ein Langgedicht, eine Autobiographie, ein Comic und ein Klima-Sachbuch zu einem kleinen Bildungs-Lektürepäckchen kombinieren, das vielleicht eher geeignet ist, aus der Leseerfahrung eine Krisenstrategie zu generieren. Besonders gut eignet sich das Prinzip auch für den kulturellen Brückenbau in Lesegesellschaften mit Migrationshintergrund.

LITERATUR AKTION WEDDING
Ich wohne selbst im Wedding und wünsche mir etwas mehr literarisches Leben in der Umgebung. Ich habe schon einige kleinere Lesungen initiiert, aber jetzt bietet sich mit dem Theater Ballhaus Prinzenallee eine einmalige Chance, meine Idee einer etwas anderen Literaturvermittlung an einem tragenden Ort umzusetzen. Das Ballhaus Prinzenallee passt auf mehrere Weisen: 1. Der Trägerverein Interkulturell-Aktiv e.V. baut das Haus gerade aus und um und will jenseits der bisherigen rein türkischen Programme (Theater 28) im Kiez wirksam werden. 2. Der Programmleiter Oliver Toktasch will das Ballhaus Prinzenallee unter anderem auch mit Literatur bespielen. 3. Die im Wedding (und in ganz Berlin) lebenden und schreibenden Autor:innen können mit ihren Werken in einem anregenden theatralisch-literarischen Kontext vorgestellt werden.

AUFTAKT IM MÄRZ: NADIRE BISKIN
Die im Wedding aufgewachsene Romanautorin Nadire Biskin hat 2022 bei dtv einen Roman publiziert, in dem ihre Lebenserfahrungen als türkische Berlinerin eine große Rolle spielen. Sie hat ganz in der Nähe des Ballhaus Prinzenallee gelebt und wird als Live-Gast des Abends sicherlich Besucher aus dem Kiez anziehen. Aber wir wollen ihnen nicht nur einen Literaturabend im Zeichen von Identifikation und Identität anbieten, sondern das Werk der jüngeren Autorin in einem Kontext anderer Bücher kontextualisieren. In Teil 1 des Abends sind also Yahya Hassan (Kopenhagen), Fatma Aydemir (Berlin) und Athena Farrokzhad (Stockholm) zu hören (szenisch gelesen von Schauspieler:innen, dramaturgisch eingerichtet von Oliver Toktasch, eingeordnet und kommentiert von Martin Zähringer). In Teil 2 des Abends liest Nadire Biskin selbst und im Gespräch mit dem Kritiker und dem Publikum lassen sich dann Themen aus Teil 1 und Teil 2 im Kontext diskutieren.

LESUNG ALS SCHAUSPIEL
Die Abende sollen nicht anstrengen und überfordern, aber eine gewisse „Masse“ an Text wird notwendig sein, um die Idee wirksam und spannend zu machen. Der Raum ist klar konturiert und allseits gut bespielbar. Oliver Toktasch wird mit relativ einfachen dramaturgischen Mitteln eine praktisch-ästhetische Beziehung zwischen Literatur und Theater herstellen. So können die lesenden Schauspieler:innen besonders positioniert und beleuchtet werden, die Bühnengestaltung lässt sich variieren, der (sparsame) Einsatz von Video, Film und Tanz ist möglich.

Ich habe das gute Gefühl, dass wir hier eine ganz besondere Stimmung erzielen können, in der das Wesentliche von #LITERATUR und das Wirksame der Dramaturgie tatsächlich zu #AKTION werden. Und da wir im #WEDDING sind, lässt sich diese kreative Grundstimmung an ein Publikum vermitteln, das in dieser Hinsicht nicht unbedingt verwöhnt, aber erwartungsvoll und neugierig ist.

Interkulturell-Aktiv e.V. ist interessiert an einer weiteren Öffnung hin zu einem gemischten Publikum, das Theater und Show auch gut mit Literatur und Genremix zu verbinden weiß.
Ich selbst – als Kurator der Reihe - sehe im Wedding mit dem Prinzip der Lektüren im Kontext eine gute Chance, die vielfachen Hemmschwellen zur Literatur abzubauen, zumal sich die kieztypische Mischung auch mehr und mehr durch jüngere Bewohner mit Kulturinteressen anreichert. „Der Wedding kommt“, ein Spruch der oft belächelt wird und so kommentiert: „Der Wedding kommt schon lang“. Aber es kommt darauf an, wer was wie macht. Auch in direkter Nachbarschaft - im Ballhaus Wedding, kommt seit 2021 mit den Kiezpoeten die Literatur ins Spiel, ebenfalls die Reihe „nochnichtmehrdazwischen“ lässt hoffen.

PROGRAMMINHALTE
4 Veranstaltungen ab März 2023 meist am letzten Sonntag des Monats von 17 Uhr – 19 Uhr. Sprache: Deutsch, die besprochenen und zitierten Werke in Teil 1 können zusätzlich in Originalsprache rezitiert werden. Das Programm ist ausgerichtet auf Literatur mit gesellschaftlichem Anliegen. Ein besonderes Gewicht liegt auf der Erfahrung des Minoritär-Seins, der sozialen Exklusion und der kreativen Strategien zur Selbstermächtigung.
Die Lektüren im Kontext werde ich gemeinsam mit den jeweils eingeladenen Autor:innen entwickeln. Es wird um für sie selbst wichtige Belletristik gehen, aber auch um politische Literatur und andere Künste.
Wenn die Schreibenden selbst gar nicht mehr der Sprache ihrer Eltern mächtig sind, durchkreuzen tragische Momente der Entfremdung ihre eigene Autorschaft. Oder ist das gar nicht so tragisch? Vielleicht sogar komisch und witzig? Das wird in den Diskussionen zu ermitteln sein.

https://literaturaktionwedding.de/


Theaterabend Ballhaus Prinzenallee


https://www.ballhausprinzenallee.de/index.php/spielplan/gastspiele/the-run-refugee-rave-05-03-2023

UrbanForestEchoTheatre

ACHTUNG: Es ist Krieg! Es ist #Krieg. Es erfolgt kein Werturteil über das Theaterevent #The Run. Refugee Rave. Dieser Bericht von einem Theaterabend im Ballhaus Prinzenallee in Berlin-Wedding ist die subjektive Randnotiz eines Weddingers, der sich sehr darüber freut, dass es hier endlich auch mal Theater gibt. Und zwar taufrisch wild und am Puls der Zeit, die wahrlich keine gute ist. Am Abend dieses Tages 4. März 2023 erholt er sich dieser Weddinger im Ballhaus Prinzenallee von den Nachrichten aus der großen Welt. Zwei davon in der absoluten dramaturgischen Reihenfolge dieser Zeit: 1. Wir erfahren, dass das Salbungsöl für die Krönung des Königs von England gerade in Jerusalem geweiht wird. (Kotz!) 2. Wir erfahren, dass die deutsche Rüstungsfirma Rheinmetall (Steigerung Aktienkurs seit Anfang des Krieges 100% Kotz!) in der Ukraine eine Panzerfabrik bauen will, weil der Krieg ja sicher noch ein paar Jahre dauern wird. (Kotz!)
In dieser Stimmung geht der Weddinger ins Theater, wo er den handelsüblichen Theaterkritiker und die handelsübliche Theaterkritikerin garantiert nicht trifft. Die werden mit dem dargebotenen Stück und dieser Truppe gewisse Schwierigkeiten haben. Diese Show zum Krieg in der Ukraine läuft in ca. 10 Aufzügen auf Russisch, Ukrainisch, Rumänisch und Italienisch, hin und wieder mit englischen Untertiteln oder in englischer Sprache. Das tiefere Verständnis und der kritische Sinn der Veranstaltung lässt sich so gewiss nicht gründlich erfassen, jedenfalls nicht wenn die Logik eines Scriptes als komplementäre Voraussetzung für ein kritisches Werturteil gelten muss. Es gibt hier keine Logik, es gibt nur Impressionen aus der irren Welt des Krieges.
Die Leitmotive in einer wilden Inszenierung zwischen Burleske und Tragödie und Rave sind Machtmissbrauch, Gier und Gewalt auf der einen Seite; auf der anderen Seite sind es Leidensgeschichten, die totale Orientierungslosigkeit im Bombenhagel und – produktionsästhetisch betrachtet - die Getriebenheit des Spektakels zur Hoffnung hin. Die hat natürlich keine handfeste Basis. Die Hoffnung hat hier keine Hoffnung mehr!
Am Ende gibt es dann auch keinen braven Beifall aus dem Publikum, der letzte Rave der Inszenierung verwandelt sich einfach im reichlich benutzten Theaternebel in einen Rave für alle auf der Bühne. Dazu gehört eine drastisch lakonische Tanzlaune und ein unverwüstlicher Altersgrad, in dem das Bein noch locker schwingt sowie die Vermischung mit der freischwebenden und tanzenden LGBT-Theaterszene die natürliche Essenz eines coolen Abends darstellt. Da die Theaterleute selbst diesem kreativen Milieu nahestehen, ist es kein Wunder, dass die Inszenierung reichlich selbstbefreiende Körperpraxis, Gay und Queer-Stoff reproduziert und feiert und somit...
Vielleicht schreibt deshalb (und wegen dem Sprachen-Queering) niemand über sie und speziell über die Aufführungen im Ballhaus Prinzenallee vom 3.März bis 5. März.

Nun bin ich kein handelsüblicher Theaterkritiker, sondern ein Literaturkritiker aus dem Gebiet der weißen, männlichen CIS-Community, der mit seinem Fotoequipment unterwegs ist. So lass ich mir also erst mal alles darbieten und ziehe mich aus der Kontaktzone zurück, um über drei neue Heilige Könge zu schreiben. King George in #Jerusalem, King Rheinmetall in der #Ukraine und King Ubu in #Wedding. Ich hänge ein paar sprechende Bilder an und spreche eine Empfehlung aus: Hingehen solange es noch geht!
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Rezension Berghau


In der Sache #ClimateFiction oder #CliFi ist noch viel zu sagen und zu schreiben. Aus Anlass eines neuen Romans von Angelika Waldis mit dem Titel "Berghau" fällt mir spontan der Journalist Anton Guha ein, der als solcher über die unterlassene Berichterstattung zum Klimawandel gut Bescheid wusste. Da die Klima-Geschichten damals, in den 1990er Jahren, nicht geglaubt wurden oder die Chefredaktion sie ihm nicht abkaufte, verfiel er auf das gute alte Mittel der Fiktion und dabei auf das der totalen Übertreibung und schrieb ein Tagebuch aus dem Jahr 2023 - ja, das passt.
Rückblickend auf das Jahr 2000 räsonniert dieser Tagebuchschreiber über die endlich eingesetzte Klimapolitik etc, und erinnert sich daran, wie damals, vor 20 Jahren, plötzlich das Meer anstieg und die Alpen in voller Breite einstürzten. Damit sind wir beim Thema:

In Angelika Waldis' Spitz-auf-Knopf erzähltem Alpendrama stürzen nicht alle Berge ein, aber immerhin und unverhofft ein paar Hänge. Die Wanderer sind plötzlich vom Aufstieg und vom Abstieg ausgeschlossen, finden aber Unterschlupf in einer kleinen bewirteten Berghütte. In der ersten Nacht, die sie schlafend auf dem Hüttenboden verbringen, stürzt auch noch die Terrasse ab - man blickt dort jetzt ins kahle Nichts der Bergwelt.

Und der Roman bzw diese große schwarze Alpennovelle blickt tief ins Nichts der Menschenherzen: Zwei Japanerinnen in Pink, eine mit Schienbeinbruch, ein befreundetes Wandertrio, ein junges Leherpärchen und der Hüttenwirt Sepp (ein ganzer Kerl) mit seiner Freundin plus ein aus dem Nichts hinzugekommer Teenager, ein Hund, kein Strom, wenig Essen und eine nur noch rudimentäre Landschaft oder Gegend (deshalb gibt es kein Nature Writing).

Das ist die Szenerie eines wirklich gut geschriebenen Romans, zu dem ich inhaltlich nicht mehr viel verraten will. Er ist absolut lesenswert und lässt auf mehr von dieser Autorin hoffen. Meinerseits wird hier eine Frage geklärt:

Wie und auf welche Art muss der Klimawandel eigentlich Objekt oder Gegenstand eines Climate Fiction Romans sein?

Der Klimawandel kann, wie es hier geschieht, ein zentrales Motiv sein. Hier ist es im Einzelfall das Phänomen der sich häufenden Bergstürze, über die der Bergsepp durchaus Bescheid wusste, als er entgegen der Warnungen besser Wissender sein Hüttenprojekt aufzog. Er hatte seinen guten, ganz persönlichen Grund, denn als Ausgestoßener der Dorfgesellschaft wollte er endlich seine Tauglichkeit beweisen. Nun ja, es geht am Ende doch wieder daneben, der Hang ist tatsächlich abgestürzt. Und auch die anderen Figuren sind im sich langsam steigernden Berghüttendrama - naturgemäß möchte man sagen, nur mit sich selbst und ihrem kleinen Kosmos aus Eros, Gier und Eigensucht beschäftigt, und sie lernen halt doch nichts dazu trotz der handfesten Fakten.

Und das ist nun wirklich die beste Allegorie bzw Zustandsbeschreibung unserer Situation - der multiplizierte Berghang in diversen Formen plus seine multiplizierte Besatzung ergeben ohne weiteres das planetarische Drama unserer Zeit. Insofern kann weiterhin die ausgeführte menschliche Komödie der Hauptgegenstand der Literatur bleiben, auch wenn sie sich mit dem Klimawandel befasst.

"Das Thema" hat unsere Literatur längst besetzt, ob wir nun CliFi sagen oder was auch immer...

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Kurden im Gorki


KURDEN IM GORKI - Ein Theaterabend im Februar

Gestern Abend war ich im Gorki und habe mir die Theateradaption des Romans "Dschinns" von Fatma Aydemir angesehen. Im Prinzip eine Pflichtaufgabe für mich, denn die Autorin spielt auch eine Rolle in meiner kommenden Reihe "Literatur Aktion Wedding" im Ballhaus Prinzenallee. In der ersten Runde im Frühjahr/Sommer 2023 kann Fatma Aydemir aus Termingründen nicht persönlich auftreten, aber ihr erster Roman "Ellbogen" kommt in einer szenischen Lesung im Vorprogramm des Auftaktabends mit Nadire Biskin ins Spiel, am 26. März. Dazu später mehr auf diesem brandneuen Account
https://mastodon.berlin/@ccnetwork@climatejustice.social
und auf der Website für die Reihe "Literatur Aktion Wedding", die gerade vorbereitet wird.

Die Theateraufführung von "Dschinns": Sie endete nach gut zwei Stunden ohne Pause durchgespielt mit einem Riesenapplaus des gut gemischten Publikums im ausverkauften Saal. Und sie begann mit einer sehr interessanten Regieidee von Nurkan Erpulat. Die Geschichte: Der Fabrikarbeiter Süleyman kehrt nach 3 Jahrzehnten in Deutschland mit seinem Ersparten und einer Frührente nach Istanbul zurück, um dort eine Eigentumswohnung zu beziehen, in der er aber schon am Tag des Einzugs stirbt. Die Umsetzung: Nun wird dieser Stoff aus der Romanprosa so in einen Theaterdialog überführt, dass alle Figuren des Stückes im ersten Akt (oder Prolog) in weißen Anzügen auf der Bühne sind. Das sind zwei Töchter, zwei Söhne und die Gattin von Süleyman. Jede dieser Figuren rezitiert abwechselnd Sätze aus dem Roman, die sie an eine andere Figur richtet, und diese andere Figur wird immer als Süleyman adressiert. So wird der Sohn zu Süleyman, auch die Frau und die Töchter nehmen seine Identität an und im Verlauf dieses kollektiven Gesanges bauen die Schauspieler:innen tanzend eine Art Süleyman-Gedächtnis-Statue aus ihren Körpern auf.

Das hat mir gut gefallen, auch der Gesang von Anthony Hüseyin, der als tricksterhafte Queer-Person im ganzen Stück einen personalen Kontrapunkt zur Familie darstellt, aber auch die Lieder des Abends zum Vortrag brachte, sehr eindrucksvoll. Wie wichtig diese Position oder auch Figur war, zeigte sich dann im Verlauf der Handlung, in der sich alles um die Geschichte der Familie dreht. Die wird aus der Sicht der Frauen erzählt, was dem durchaus bekannten Stoff seine spezifische dramaturgische Perspektive verpasst. In Kürze notiert geht es um: die soziokulturellen Problematiken der Gastarbeiter in Deutschland, ihre Ausgrenzung, um individuelle Migrationsgeschichten, die ökonomische Ausbeutung des Arbeiters, als Mann in der Metallfabrik, als Frau in der Familie, die kulturelle Entfremdung der Anatolier in den Großstädten, die Wurzellosigkeit der zweiten Generation, die Emanzipation einer Frau auf Kosten des Familienzusammenhangs, die Abwege der Jugend, das zurückgelassene Kofferkind und so weiter.

Überraschungen im Drama: Zum einen waren das die spannungsvollen Wechsel in den Szenenfolgen, hochdramatische Szenerien in den Mutter-Tochter Konflikten, in schnellem Wechsel gefolgt von teilweise burlesken Episoden mit viel tänzerischem Körpereinsatz. Besonders die sportlich und humorige Aysima Ergün turnte sich begeistert durch die Requisiten, die in verschiedenen Ausführungen und einer raffinierten Beleuchtung den zentralen Lebensraum der Familie darstellen, das Wohnzimmer - am Schluss fliegt es in die Luft. Zum anderen war das die subtile, fast unterschwellige Hinführung zu der Tatsache, dass wir es hier gar nicht mit einer türkischen Familie zu tun haben, sondern mit einer kurdischen, die verdrängt hat, was das Kurdische eigentlich ist und deren Kinder die Sprache gar nicht gelernt haben. Das familiäre Manko - sehr schön beschrieben als "Loch in der Familie" war die Gelegenheit für den Queer-Sänger Hüseyin - tricksterhaft changierend zwischen Rollenfigur und chorischem Engel oder eben einem Dschinn - in einem Bericht von einer Demo an den inhaftierten Kurdenführer und politischen Shriftsteller Apo Öcalan zu erinnern. So öffnet sich das Familienstück auf seiner politischen Flanke in eine Richtung, die Lust auf mehr macht.

Publikumsgespräch nach einer kurzen Pause: Die Schauspieler:innen erholten sich vom minutenlangen Beifallssturm, wir uns leider nicht beim Bier weil die Bar zu war, und dann kam ich mir im technisch hochgerüsteten Saal des Gorki vor wie in eine pietistische Epoche des 18. Jahrhunderts versetzt. Einige der Zuschauerinnen erzählten, wie sie weinen mussten, die Schauspieler berichteten von Weinanfällen bei der Lektüre des Buches und überhaupt war in diesem Gespräch extrem viel von dem Gefühl, besonders dem der Identifikation zu vernehmen. Der altehrwürdige ästhetische Auftrag der Katharsis in Ehren, aber wir sollten weniger weinen und uns mehr über das kritische Potential dieser Kunst unterhalten.
https://www.gorki.de/de/dschinns

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(Eigener Bericht) – Chinas ranghöchster Außenpolitiker hat am Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Initiative zur Beendigung des Ukraine-Krieges angekündigt.

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#Rezension #Akiz #KöniginDerFrösche


Wenn Literatur Eskapismus ist und der Flucht aus der Wirklichkeit dient, dann erfüllt seinen Zweck definitiv dieser Roman, geschrieben 2022 an der Westküste der USA, wo der Autor sich vom Deutschen erholte. Ein Roman der aber nichtsdestotrotz im Deutschen spielt, und zwar 1799 im Erlensteinschen Herzogtum. Er hat nichts, aber auch gar nichts mit den multiplen Krisen, politischen Plagen und Kriegstreibereien unserer Zeit zu tun; der einzige Krieg der geführt wird, ist der gegen die Tiere. Es ist ein Massaker an hunderten im Wald gefangener Hasen und Kaninchen, Füchse und Fasanen, Rehe und Schweine und Hirsche, die den schießgeilen Gästen auf dem Erlensteinschen Schloss zugetrieben werden. Man kennt Darstellungen feudaler Jagdorgien, und einmal mehr die triefenden Mordinstinkte derartig dekadenter Jagdgesellschaften anzuklagen, ist ein lobenswerter Nebenaspekt dieser Geschichte.
Aber die Hauptsache ist eine andere. Es ist die alte Mär vom Frosch, der von der Prinzessin wachgeküsst wird. Wirklich und wahrhaftig, doch tut es dem Frosch hier gar nicht gut, denn das Menschsein ist von Übel. Davon erfahren wir reichlich durch die Zeugnisse einiger Briefeschreiber und Schreiberinnen in dieser grandiosen Burleske - das Leben im Feudalismus war kein Zuckerschlecken. Immerhin an der Tafel der Adeligen täglich ein Großes Fressen, wonach es aber auch zünftig stinkt vom Geschiss der Herren und Damen. Und hier soll sich nun der nackt aus dem Wald hervorgezogene Wilde bewähren (nur wir wissen: es ist der Froschmann). Man trainiert ihm erfolgreich das Aufblähen des Halses ab, das uns an seine Froschnatur erinnert, während seine menschliche Wachküsserin selbst immer mystischer wird und schließlich sogar Gefallen am Verspeisen von Insekten findet.
Man ahnt es schon, hier bahnt sich eine sehr spezifische Romanze an, ein artenübergreifendes Liebesdrama und ich habe die knapp 200 Seiten in einem Zuge durchgelesen, obwohl ich schon müde war und nur noch einen kurzen Blick hineinwerfen wollte. Aber das war doch zu interessant, wie der selbstherrliche Bräutigam den armen Wilden zu zähmen suchte, um damit - übrigens am Tag der Jagdorgie, zu beweisen, dass er auch die etwas verwirrte Tochter des Hauses und Gattin in spe in Fasson zu bringen vermögen würde - und dann das. Famos.

in reply to Martin Zähringer

Besser im Takt:
Wie man das Treibhaus sicher heizt
Weiß Merz der mit Privatjet reist



#Merzgedicht


Merzgedicht 1
Bin ich ein Merz im Karpfenteich
Dann bin ich unverhohlen reich
Bin ich ein Karpfen unter Merzen
Dann bleiben mir nur noch die Terzen


MehrAlsHündischeWelt



If I were going to go that far, I would simply allow her to roll around in/eat rabbit, goose, and deer poop.



@MichelJean #Rezension #ResidentalSchools #Roman


#ClimateCultures #Arktis #Kulturkontakt #KulturImperialismus
#Rezension von "DerWindErzähltNochDavon" bei @wieserverlag

Michel Jean gehört zu den besten Schriftstellern unserer Zeit. Er hat etwas zu sagen, er weiß wovon er spricht und seine Themen sind relevant. Im neuen Roman Der Wind spricht noch davon (bei Wieser 2022) geht es um die Wölfe der katholischen Kirche. Wölfe werden in diesem Roman männliche und weibliche Erzieherinnen, Mönche und Nonnen genannt, die Kindern und Jugendlichen der indigenen Völker in ihren Residental Schools auflauern, um sie sexuell zu missbrauchen. Wie Wolfsrudel schleichen sie tagsüber um die Schwächsten herum, nachts vergehen sie sich oft auch gemeinsam an ihnen. Die Verbrechen konnten geschehen, weil die Kirchenobersten davon überzeugt waren, dass die sogenannten Wilden endlich zivilisiert werden müssten, weil die Eltern der Opfer den geistlichen Hirten hörig waren und weil der kanadische Staat die Zwangseinschulung der Kinder in ferne Gegenden finanziert hat. Das Thema hat die kanadische Gesellschaft in den letzten Jahren schockiert, es wurde ein kultureller Genozid erkannt und Zahlungen an die Opfer geleistet, aber die missbrauchten Kinder hat es für ihr ganzes Leben ruiniert.

Michel Jean beschreibt die katholischen Wölfe aus der Sicht von drei Kindern aus dem Volk der Innu. Er rekonstruiert Sachverhalte aus Berichten und Akten und erzählt die Geschichte der Kinder, die so unwillkürlich unter die Schreckensherrschaft der Wölfe gerieten, in das aberwitzige System der sogenannten Zivilisierung der Wilden. Die Erzählung der Ereignisse in der frühen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist eine emphatische Annäherung an eine Zeit in der Hölle, sprachlich unaufgeregt, aber brutal ehrlich. Was besonders nachwirkt - ich habe das Buch in einem Zug gelesen, das ist die parallel erzählte Geschichte der überlebenden Marie.
Marie, die ihre beste Freundin im Internat verlor, hat sich nach einer Zeit des Trinkens und der Obdachlosigkeit auf den Straßen Montreals in ein fernes Dorf verzogen, wo sie seit Jahrzehnten nur noch trinkt und mit niemandem spricht. Bis eine junge Anwältin ankommt, die dafür sorgen will, dass Marie die ihr zustehende Entschädigung von einigen zehntausend Dollar erhält. Marie lässt sich nur widerwillig au dei Fremde ein, kommt aber langsam zu sichund beginnt sich zu erinnern.
Das Fazit ihrer Katharsis ist erschreckend: Das Schlimmste sei, dass der Leiter, der sich selbst nie an jemandem vergangen hat, immer zu allem geschwiegen hat. Es sei unmöglich gewesen, dass er nichts gewusst hat, denn alle haben es mitbekommen.
Und das ist vielleicht der wichtigste Moment, den dieser Roman im Ethos des wahren Lebens anvisiert: Die Hirten der katholischen Kirchen schützen nicht die Schafe, sondern die Wölfe.

Ich lese diesen Roman auch als Zeugnis einer Epoche im Kulturkontakt der arktischen Völker mit uns Weißen. Er ist das literarische Zeugnis einer einzigartigen Klimakultur. Leider hat sie nicht das Ethos einer großartigen Lebensweise, in der bescheidene Menschen mit bescheidenen Mitteln den härtesten Bedingungen der Umwelt trotzen, in der es einem jungen Mädchen im Dunkel der Nacht gelingen kann, gleich zwei angreifende Eisbären zu erschießen und ihre Familie zu retten. Sie hat das Ethos eines Dramas, in dem sie gegen die Wölfe keine Chance hat.


@MichelJean #author #canada #novel


Michel Jean is one of the best writers of our time. He has something to say, he knows what he's talking about, and his topics are relevant. The new novel Der Wind spricht noch davon (The Wind Still Speaks of It, published by Wieser 2022) is about the wolves of the Catholic Church. Wolves, in this novel, are called male and female educators, monks and nuns who ambush indigenous children and youth in their resident schools to sexually abuse them. Like a pack of wolves, they prowl around the weakest during the day, and at night they often prey on them together. The crimes could happen because the church leaders were convinced that the so-called savages finally had to be civilized, because the parents of the victims were in bondage to the spiritual shepherds, and because the Canadian state financed the forced enrollment of the children in far away places. The issue has shocked Canadian society in recent years, a cultural genocide has been recognized and payments have been made to the victims, but it has ruined the abused children for life.

Michel Jean describes the Catholic Wolves from the point of view of three children from the Innu people. He reconstructs facts from reports and files and tells the story of the children who so involuntarily fell under the reign of terror of the wolves, in the ludicrous system of the so-called civilization of savages. The narrative of events in the early first half of the 20th century is an emphatic approach to a time in hell, in a clear tone but brutally honest. What particularly resonates - I read the book in one go - is the story of Marie, the survivor, told in parallel.
Marie, who lost her best friend at the residental school, after a period of drinking and homelessness on the streets of Montreal, has moved to a distant village where she has done nothing but drink and talk to no one for decades. That is, until a young lawyer arrives to make sure Marie receives the tens of thousands of dollars in compensation to which she is entitled. Marie reluctantly gets involved with the stranger, but slowly comes to and begins to remember.
The conclusion of her catharsis is frightening: the worst thing is that the leader, who himself has never committed any crime against anyone, has always kept silent about everything. It was impossible that he didn't know anything, because everyone was aware of it. And this is perhaps the most important moment that this novel targets in the ethos of real life: The shepherds of the Catholic churches are not protecting the sheep, but the wolves.

I also read this novel as a testimony to an era in the cultural contact of the Arctic peoples with us whites. It is the literary testimony of a unique climate culture. Unfortunately, it does not have the ethos of a grand way of life in which humble people with humble means brave the harshest environmental conditions, in which a young girl in the dark of night can manage to shoot two attacking polar bears at once and save her family. This story has the ethos of a drama in which she has no chance against the wolves.