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Martin Zähringer reshared this.


Ein Preis, zwei Schriftsteller und der Müll


Im wärmsten Jahr aller gemessenen Zeiten 2023 erhielt der Science Fiction Autor Kim Stanley Robinson aus Kalifornien einen Umweltpreis aus Sachsen. Namensgeber ist der barocke Forstmeister Hans Carl von Carlowitz. Das mögen fremde Welten sein, aber im Sinne einer Ökologie des Geistes passen sie gut zusammen.

Kim Stanley Robinson oder KSR ist der erste Science Fiction Autor in meiner reiferen Lesegeschichte als Literaturkritiker. Ich bin durch meine Arbeit mit der Climate Fiction an ihn geraten, als wir in Berlin unser Climate Fiction Festival planten, gleichzeitig einige Artikel und abendfüllende Radioarbeiten . Im Nachinein kann ich sagen, das Interesse an dem damals fremden Modell Climate Fiction war da, meist kannten unsere Redakteurinnen die erzähelnde Literatur zu Klimawandel und Krise als Thriller, Phantasy oder Science Fiction.
Immerhin kamen wir so an Auträge und konnten sogar nach Kalifornien reisen, wo KSR in Davis lebt und uns sehr freundlich empfangen hat.

Ein Supraorganismus wäre gut für das Land, das kann ich unterschreiben. Im Roman "Das Ministerium für die Zukunft" steht das Idyll am Ende einer ziemlich komplizierten Geschichte, die mit einer Hitzkatastrophe in Indien beginnt und mit diesen Worten: ES WURDE HEISSER. Es wurde auch politisch heiss, denn die wesentlichen Schritte in eine nachhaltige Zukunft - oder wie der Arbeitstitel des Buches hieß, in ein positives Anthropozän, waren nicht ohne Gewalt und Terror zu haben. KSR sitzt meist friedlich in seinem Garten in Davis und ist Realist, seine politisch ökonomischen Grundlagen sind seit seiner Dissertation über Philipp K. Dick bekannt, Doktorvater war Frederik Jameson, und der steckt auch tief in meiner DNA.

Da ich im Scharzwald aufgewachsen bin und mein Vater uns als städtischer Waldarbeiter durchgebracht hat, ist mir der Carlowitz nah. Mein Vater hatte seine Probleme mit den Förstern, sie waren Chef im Wald, und er war Sozialdemokrat und Gewerkschafter. Da gab es immer Krach. Wurzeln hier die heimlichen Beziehungen von Ökonomie (politische Ökonomie bei KSR) und Ökologie (politische Ökologie, nach Carolwitz), denen ich derzeit auf der Spur bin? Subjektiv schon, warum auch nicht...

Ein Text für Liebhaber, ihr müsst euch da nicht durchquälen. Literarisch ist das spannend, denn hier schreibt ein Sachse vor der preussischen Durchmusterung unserer Sprachkreativität. Interessant ist vor allem die Utopie. Mit KSR und seinem Zukunftstraum vom Supraorganismus teilt Carlowitz die Idee vom Irrdischen Paradies, das durch menschliche Aktivität zu ereichen wäre, bei ihm durch nachhaltige Waldökologie.

Die Ökologie des Waldes ist auch die Ökologie der Sprache. Ich könnte das essayistische Spiel noch viel weiter treiben mit den Bäumen von Carlowitz und seiner Sprache, Sprachbäume, Grammatik des Waldes, Ökologie des Geistes, Wahlverwandtschaften von Science Fiction im 21. Jahrhundert und Ökopraxis im 17. Nach ein paar Seiten gewöhnt man sich an den Stil von Carlowitz:

Man soll doch nicht! Die malignität...

Es ist und bleibt mir ein großes Rätsel. Traum, Essay und Wirklichkeit im Wedding.

WO LEBEN WIR?

https://www.nzz.ch/feuilleton/irgendwann-schlaegt-die-natur-zurueck-ld.1355040
https://www.climate-fiction-festival.de/
https://carlowitz-gesellschaft.de/nachhaltigkeitspreis/nachhaltigspreis-2023/