Skip to main content

Martin Zähringer reshared this.


MOORE and more


Annie Proulx schreibt aus dem Moorland und das Moor spricht zurück!

So kann es gehen mit dem Schreiben zumal das Moorland aus Büchern besteht, die Annie Proulx sich in ihrer Bibliothek einverleibt oder bei Bibliotheken oder Sammlern bestellt, alle Bücher über das Moor, Feuchtgebiete, historisch, gegenwärtig, englisch, französich, deutsch und vor allem auch Dänisch. Die Moorleichen aus Dänemark zählen zu den aufregendsten Teilen dieses Werkes (da fand ich sie.-)), auch hier hat die Autorin schriftliche Quellen und spricht mit ihnen. Ja, sie zitiert, zitiert aber nicht immer mit Anführungsstrichen, sie erzählt Geschichten aus den Büchern weiter, verbindet sie mit anderen Geschichten und auch hin und wieder mit Spaziergängen in ein Moor, aber das nur am Rand. Das ist ein sehr ökonimsches Verfahren des Nature Writing, aber es braucht Reife und Talent, bei einer Lady über 80 mit einer exklusiven Bibliothek und viel Erfahrung ist das kein Problem und führt einmal mehr zu einem kleinen Literaturwunder.

Ich nehm es vorweg, nach diesem abenteuerlichen Lektürerausch in den Mooren und Feuchtgebieten dieser Erde mit ihrer fantastischen Vergangenheit und einer uferlosen Naturgeschichtenerzählung erwacht man nüchtern: Die Nebel der Moore legen sich, das Klarbild der Situation wird sichtbar: Der Mensch ist gerade dabei, die wichtigsten Kohlenstoffsenken seiner Landschaften zu vernichten. Annie Proulx weiß es genau, und es scheint ihr im Angesicht der eigenen Gattung so peinlich zu sein, dass sie nicht einmal mehr wettert gegen die Vernichtung. Aber auch lakonisch beiläufige Einschübe (wie der im Zitat oben) entwickeln eine ungeheure Wucht.

Die Frau ist mit dem Schachtelhalm im Bund, und der Schachtelhalm schreibt zurück!

Ich bin schon lange ein Freund von Annie Proulx. Den Film über das schwule Cowboy-Paar dürftet ihr kennen, hoffentlich auch ihr Buch. Oder diesen Proulx, ein 300-Jahresepos über die Vernichtung der amerikanischen Urwälder. Ich besprach als Buch der Woche bei DLF:

https://www.deutschlandfunk.de/annie-proulx-aus-hartem-holz-vom-sisyphos-zum-waldherrn-100.html#:~:text=In%20„Brokeback%20Mountain“%20ließ%20Annie,Hoheit%20über%20den%20Wald%20abringen.

Nach dem Rausch der feuchten Naturwunder gibt es ein Erwachen in dr Versiegelung. Beton, Straßenbeläge, flache Landschaften überbaut, aber ich wollte es ja so. Immerhin so eine gewisse Ahnung ist verblieben in Berlin-Wedding:

Es sickert und blubbert noch was im Überlaufbecken für die kanalisierte Panke, in der heute ein optimistischer Reiher zu sehen war. Ich sah noch nie 1 einzigen Fisch darin und in der Fläche eher Krähen:

Aber nach einer intensiven Proulx-Leküre kann man sich schon vorstellen, dass das auch hier einmal ein Moor gewesen sein könnte, wo jetzt die Schrebergärten stehen und die Mietshäuser des Vaterländischen Bauvereins, wo sich heute moderne Fauna vergnügt:

Es ist nicht ganz ohne Witz, wie Hund und Krähe sich hier ökologisch vernetzen. Der Hund und die Krähe oder der Rabe liefern sich bekanntermaßen in vielen indigenen Mythen und Geschichten ein ewiges Gefecht und sind gar keine Freunde. In Post-Moor-Zeiten sieht das anders aus:

Er hier schnappt sich gleich ein schwarzes Plastiktütchen, darauf hat er sich spezialisiert, das hat Herrchen von Hundchen ins Moor geworfen. Was ist nur aus den Krähen geworden? Good Night!